Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195,7

Professor Taylor
3 Regent Square
London.


Cassel den 8ten Mai
1841.

Hochgeehrtester Freund,

Sie haben jedenfalls Ihrem liebenswürdigen Secretair1 Unrecht gethan, wenn.Sie ihn in Verdacht hatten, Ihre Worte ungetreu übersetzt zu haben. Vieleicht habe ich durch Undeutlichkeit meines Styls das Mißverständniß selbst veranlaßt? Ich glaubte nicht, daß Sie schon Proben des neuen Oratoriums gemacht, hätten, sondern sprach nur meine Verwunderung aus, daß Sie die Absicht hätten nach Empfang der Orchesterstimmen deren zu veranstalten, da ja bis zum Musikfest noch fast 1½ Jahre Zeit ist. Dieß brachte mich auf die Vermuthung,:daß Sie die Absicht,hätten, vor dem Musikfeste in Norwich eine Aufführung des Oratoriums zu veranstalten.
Ich mögte indessen nun gern wissen welchen Plan Sie haben, sowohl für die Aufführung des Werks, wie auch für die Herausgabe in England mit englischem Text? Gedenken Sie einen Clavierauszug herauszugeben und soll dieser noch vor oder mit dem Musikfest zu gleicher Zeit erscheinen?
Die Herausgabe in Deutschland würde dann wohl am passendsten im nächsten Herbst stattfinden oder vielmehr gleichzeitig mit Ihrem englischen Clavierhauszuge. Haben Sie die Güte mich mit Ihren Absichten bekannt zu machen. Die Partitur und Orchesterstimmen werden Ihrer Angabe gemäß geschrieben In 4-5 Wochen hoffe ich wird alles fertig seyn. Soll ich Ihnen das Paquet mit der Post zusenden, oder wissen Sie mir eine Gelegenheit durch einen Reisenden anzugeben?
Meine Auslagen werde ich dann in einem Wechsel auf Sie in der Weise, wie Sie es in Ihrem vorletzten Brief angeben, entnehmen. Sie gestatten mir wohl 20 Guinéen ebenfals mit aufzuschreiben, die Ihnen für meine Rechnung von Herrn Broadley in London für einen Psalm, den ich ihm componirt habe ausgezahlt werden? Diesen Psalm habe ich zu englischen Worten komponirt und Sie würden gewiß gelacht haben, wenn Sie ihn von mir hätten singen hören! Warscheinlich hätten sie es gar nicht für englisch gehalten! - Meine geschickte Frau hat einen deutschen Text unterlegt, der nicht allein genau zur Musik in allen 4 Stimmen paßt, sondern auch in gutem Bibelstil und sogar, wie das Original, gereimt ist. Mit diesem Text haben wir die kleine Komposition einmal in unserm Gesangverein2 gesungen, weil ich mich nicht entschließen konnte, sie fortzuschicken, ohne sie gehört zu haben.
Meine Frau und Frau von Malsburg grüßen Sie und die lieben Ihrigen auf
das herzlichste. Mit wahrer Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Taylor, Edward
Erwähnte Personen: Broadley, Charles Bayles
Malsburg, Caroline von der
Taylor, Meta
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Spohr, Louis : Psalm 128, op. 122
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Norfolk and Norwich Triennial Festival
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841050804

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 23.04.1841. Taylor beantwortete diesen Brief vermutlich bis zum 25.06.1841.

[1] Edward Taylor ließ zu dieser Zeit seine Briefe an Spohr durch seine Schwiegertochter Meta geb. Dochow ins Deutsche übersetzen (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[2] Cäcilienverein.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.12.2018).