Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn Hofkapellmeister
Doctor Louis Spohr
in
Cassel

franco!


Mein verehrter Herr Capellmeister!

Ihr lieber Brief ist mir auf hier nachgesendet worden und ich freue mich in demselben zu lesen, daß das Portrait auch in Ihren Augen gewonnen hat. Es ist jetzt aber auch wirklich zünftig ähnlich! – Die nächste Gelegenheit werde ich wahrnehmen & Ihnen noch einige vorzügliche Abdrücke senden. – Die gütigst in der 2ten Sonate gerügten Druckfehler sind achtsam notirt & lasse ich die Corrigenda gleich in die Platten tragen. Daß die transponirte Violinstimme etwas widerhaariger Natur ist, muß ich bejahen, jedoch eine ernste Uebung überwindet die Schwierigkeiten. Lieb würde es mir seyn, wenn Sie die Güte hätten, die beiden transponirten Violinstimmen mit dem nöthigen erleichternden1 Fingersatz zu versehen, dadurch würde das Werk gewinnen & Sie würden mir eine große Gefälligkeit erweisen. In diesen Tagen denke ich mit Clara Wieck Schumann, Ihre erste Sonate2 zu spielen – Sie sehen also daß die Composition Anklang findet; gut gespielt macht sie auf d. Piano herrlichen Effekt.
Daß das Trio f. Pfte. begonnen – hat mich unaussprechlich gefreut; ich hoffe Sie werden mich nicht lange darauf3 schmachten lassen & verspreche ich Ihnen prompt zu zahlen & prompt zu stechen; – machen Sie es aber gnädig mit dem armen Musikverleger.
Von Liszt habe ich Briefe aus London – er geht im Sommer nach dem Rhein – & muß nach Cassel dahin sage ich. Henselt schreibt mir gestern, daß er sehr wahrscheinlich nach Deutschland kommen wird & in Hamburg bei mir Platz nehmen etc. Ich schrieb ihm unter Anderem auch daß Sie seine Compositionen unter den neuern Tonsetzern den Vorzug geben. Er bittet mich nun Ihnen seine Hochachtung zu versichern & fragt zugleich an ob er sich erlauben dürfte, Ihnen eins seiner größeren Manuscripte zur Durchsicht einsenden zu dürfen, auch möchte ich Sie auf ein bald erscheinendes großes4 Duo f. Pfte. & Cello aufmerksam machen. Es ist Pflicht daß ich Ihnen treue Berichte gebe & Sie werden solche hoffentlich von mir nicht übel deuten – in meiner Verehrung müssen Sie mir schon etwas zu Gute halten, wenn ich manchmal nicht ganz so bin, als ich wohl seyn sollte. Meine Schwächen fühle ich gar wohl – es hapert bei mir überall – also gütige Nachsicht mit dem Schwachen. –
So eben sind bei mir Liszt, Beethoven 6 geistliche Lieder von Gellert, f. Pfte. übertragen, fertig geworden; mit meiner nächsten Sendung werde ich Frau Gemahlin noch Einiges Neue & Gute beilegen können.
Rob. Schuman hat mit seiner Sinfonie5 hier entschiedenes Glück gemacht; seltsam R. Schumann eine Sinfonie?!, ich bin neugierig sie zu hören – denn auf den ersten Wurf gleich Ausgezeichnetes?!! Capellmeister Pott sprach ich gestern hier – er geht nach Wien um daselbst einige Monate mit seiner Frau zuzubringen.
Den lieben Ihrigen bitte ich bestens zu empfehlen
Ihren hochachtungsvoll & freundschaftlich
Verehrer
Julius Schuberth

NB. Das Trio werde ich auf das Kostbarste ausstatten – ich zweifele natürlich nicht daß wir uns einigen deßhalb.
JS.

Leipzig, d. 29/4 41.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schuberth. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schuberth an Spohr, 09.06.1841.

[1] „erleichternden“ über der Zeile eingefügt.

[2] Op. 113.

[3] „darauf“ über der Zeile eingefügt.

[4] „großes“ über der Zeile eingefügt.

[5] Zur Uraufführung der ersten Sinfonie von Robert Schumann fand in einem Konzert von Clara Schumann im Leipziger Gewandhaus am 31.03.1841 vgl. u.a. Allgemeine Musikalische Zeitung 43 (1841), Sp. 317.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (02.02.2021).