Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Taylor, E.:19

Dr. Louis Spohr
Hesse Cassel
Germany


3 Regent Square
April 23. 1841

Mein hochgeehrtester Freund,

Meine herzlichsten Dank für Ihr willkommenes Schreiben, welches ich durch Charles Horsley empfing, und obgleich ich ihn selbst noch nicht gesehen, und also noch keine nähere Nachrichten über Sie, Madame Spohr, und meine geehrten Freunde in Cassel von ihm erhalten habe, so will ich dennoch keinen Augenblick mit meiner Antwort zögern.
Zum ersten Male seit unserer Correspondenz glaube ich Ursache zu der Vermuthung zu haben, daß mein lieber Secretair1 den Sinn meiner Worte nicht ganz treu übersetzte. Vielleicht, daß bei der Adoptirung eines neuen Vaterlands die deutsche Sprache in den Hintergrund getreten ist: (der Ueberssetzer versichert, daß dies keineswegs der Fall ist, daß er aber nicht begreift,wie ein solches Mißverständniß als das hinsichtlich der Orchester-Proben sich einschleichen konnte.) - Wir haben noch nicht mit dem Einüben der Chöre angefangen – ich sagte nur, daß ich eifrig an den Chor-Parthien arbeitete, um diese so bald wie möglich den Händen der Sänger übergeben zu können. Noch viel weniger haben wir irgend eine Orchesterprobe gehabt. Nein, mein bester Freund, ich würde es mir nicht einmal im Traume einfallen lassen, je den Versuch anzustellen, zu einer Ihrer Compositionen eine Instrumental-Partitur zu fabriziren – nie würde ich mich eines solchen thörichen und anmaßenden Vergehens schuldig machen. Eben so wenig habe ich je daran gedacht, Einzelnes aus dem Oratorium zu geben – es ist mein innigster Wunsch, dasselbe nur vollständig dem Publikum vorzuführen. Sie wissen, wie sehr ich wünschte, das Oratorium wmöge zuerst in England herauskommen – und warum? – um sogar die Möglichkeit seiner Verstümmelung durch Andere zu verhindern. Ihre Wünsche in dieser Hinicht würden allein mir heilig sein; allein selbst, wäre der Componist des Oratoriums ein, mir durchaus Fremder, ich würde in eben dem Maße mich einer Verstümmelung des Werks entgegengesetzt haben. Ich habe stets dem grausamen Gebrauch der Engländer, Oratorien in Stücke zu zursetzen, auf’s Eifrigste entgegengearbeitet, u. werde fortfahren, es zu thun. Ich glaube wahrhaftig, würden Sie Ihr Oratorium in Deutschland publiciren, man würde uns bald hier in England eine Anzahl Quadrillen daraus gemacht u. vorgeführt haben.
Ich werde die folgenden Stimmen für das Orchester brauchen:

4 Violino Primo – principale
6 Do. – Repieno
4 Violino Secondo principale
6 Do. – Repieno
4 Viole – principale
6 Do. – Repieno
4 Violoncelli – principale
6 Do. – Repieno,
und alle übrigen Instrumente einmal.

Der Copist wird die Gesangsnoten und Wörter in den Recitativen auslassen müssen, indem er Raum läßt, sie dort einzurücken, wohin sie eigentlich gehören. Eben so muß er alle deutschen Wörter weglassen, wie z.B. die Anfangsstrophe der Gesänge u.f.m. Ich würde Ihnen außerordentlich verpflichtet sein, wollten Sie mir zugleich eine Abschrift der vollständigen Partitur übersenden, nicht nur, weil ich einen solchen Schatz für meine Bibliothek wünsche, sondern hauptsächlich, weil sie mir bei der Direction der vorgehenden Proben von dem größten Nutzen sein würde.
Es freut mich sehr, von Ihnen zu hören, wie befriedigend für Sie die Aufführung des Oratoriums am Charfreitage ausfiel – daß Sie Ihr Publikum entzückten bezweifle ich durchaus nicht, nur wünschte ich, ich hätte mich unter den Zuhörern befunden.
Herr David überbrachte mir Samson. Ich sehe, daß Mosel das Händelsche Oratorium sehr abgekürzt, und sogar die ganze Parthie des Harapha weggelassen hat, worin es, wie mich dünkt, Unrecht thut. Mir gefällt indessen seine Instrumentation. Er folgte Händel’s Styl mit Glück, nicht wagend, wie Mozart2 zuweilen thut, dem Accompagnement einen neuen Character zu geben, Man sollte den Deutschen sagen, daß die Worte dieses Oratorium kein[es]weg‘s von Milton sind, sondern nur eine [???] der Verstümmelung seines erhabenen Gedichts mit mannigfaltigen u. sehr armseligen Reduktionen.
Ich werde Ihrem Wunsche hinsichtlich des Textbuchs nachkommen. Ich bitte, empfehlen Sie mich freundlichst an Madame Spohr, Frau v. Malsburg, und meinen sonstigen gütigen Freunden in Cassel, u. nehmen Sie von mir die Versicherung der herzlichsten Freundschaft.

Ganz der Ihrige
Edw. Taylor.

NS. Unsere hiesigen Zeitungen3 sprechen von einer Rufe an Sie vom Könige von Preußen – in wie fern ist dies gegründet? –



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Taylor, 13.04.1841. Spohr beantwortete diesen Brief am 08.05.1841.

[1] Edward Taylor ließ zu dieser Zeit seine Briefe an Spohr durch seine Schwiegertochter Meta geb. Dochow ins Deutsche übersetzen (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[2] Mozarts Instrumentation des Messiah KV 572.

[3] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.12.2018).