Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: „Briefe von Friedrich Kühmstedt“, in: Urania 51 (1894), S. 5f., 22, 30f., 38f., 45f., 61f. und 86f., hier S. 30f.

Hochwohlgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr!

Ich nehme mir die Freiheit, Ew. Hochwohlgeboren, den Überbringer dieses, einen jungen Sänger1, eigentlich Studios. juris zu empfehlen, der als deutscher Balladen- und Liedersänger auf einer Kunstreise begriffen ist, und sich durch seine schöne Stimme in Weimar, Gotha und Eisenach schon einen nicht unbedeutenden Ruf erworben. Ich glaube selbst, daß der junge Mann etwas Vorzügliches zu leisten im Stande sein wird, da seine Stimme, der Klangfarbe nach ein schöner Bariton, durch einen Umfang vom großen F bis ins eingestrichne as, allen Anforderungen genügen kann, die man an den Bass und Tenor zugleich macht. Nimmt man noch dazu, daß er auch mit einem guten Äußern eine vielseitige Bildung und dabei gute2 musikalische Anlage verbindet, so wäre er wahrhaftig eine ganz excellente Acquisition für eine größere Bühne. Ich glaube auch, er ist nicht abgeneigt, ein Engagement an einer Bühne anzunehmen. Als Sänger scheint er mir zwar noch nicht durchgebildet, mehr noch von einer Manier beherrscht zu werden, und Manches vorherrschend subjectiv aufzufassen; das was er aber sich zu eigen gemacht hat singt er oft hinreißend schön. Dies zeigte er gestern in einem Concert, wo wir auch den überaus herrlichen Genuß hatten, die fünfte Symphonie aus c moll von Ew. Hochwohlgeboren zu hören. Sollte es nicht gegen die Grundsätze Ew. Hochwohlgeboren sein, so möchte ich Sie ergebenst bitten, diesen jungen Mann mit einigem guten Rath an die Hand zu gehen, so wohl in Bezug auf die Art seines Gesanges, als auch in Bezug auf ein Concert, das er in Cassel zu geben beabsichtigt.3 – – Dabei gebe ich mir die Ehre, Ew. Hochwohlgeboren das 3te Heft meines Gradus ad Parnassum zuzustellen. Möchte es ebenfalls, wie die ersten beiden, mir Ihren Beifall erringen; das ist wahrhaftig mein schönster, höchster Lohn.
Ich bin mit ausgezeichneter Hochachtung

Ew. Hochwohlgeboren
ganz ergebenster
F. Kühmstedt.

Eisenach am 11t Apr.
1841.

Autor(en): Kühmstedt, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Brandt, Gustav
Erwähnte Kompositionen: Kühmstedt, Friedrich : Gradus ad Parnassum
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 102
Erwähnte Orte: Eisenach
Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841041140

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühmstedt, 19.01.1840. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Kühmstedt an Spohr, 17.04.1840.

[1] Gustav Brandt (Identifizierung nach Folgebrief).

[2] Hier gestrichen: „n“ (ursprünglich „guten“).

[3] Zu den Konzerten am 19. und 26.04.1841 vgl. „Kassel, im Juli 1841“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 43 (1841), Sp. 594-600 und 613-616, hier Sp. 614.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (03.07.2020).