Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287


Catlenburg am 3t April 1841

Auf das dankbarste, mein unaussprechlich verehrter Freund und Gönner! erkennen u verehren wir Ihre nochmahliche so gütige Bemühung der höchst interessanten anderweiten Benachrichtigung vom 30t v.M. – und ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie gespannt ich schon auf die General-Probe am Grün-Donnerstag nachmittag bin! – – ich werde daher Mittwoch Abend, oder wenn einige in Münden abzumachende Geschäfte mich daselbst zu lange aufhalten sollten, doch von Donnerstag Morgen alldort eintreffen; leider aber wiederum ohne meine Frau! – die zwar jetzt ganz wohl ist; und ihre so freundliche Erinnerung u Einladung auch ihres so dankbar verehrt als solche ihr Freude machen; – aber doch von der Besorgniß sich nicht loosmachen kann, für die mit einem solchen Ausfluge verbundenen mannigfachen Aufregungen bey der unglücklichen Reitzbarkeit ihrer Nerven, noch mahls wieder viel leiden zu müssen! – den Hans Heiling habe ich 1833 in Leipzig, ganz gut einstudirt, gehört; u ungeachtet der etwas all’ zu handgreiflichen mannigfachen Anklänge des Freyschütz, u der etwas langweiligen Gewitter-Melodramatischen-Einschiebsel, auch im Ganzen doch mit recht vielem Interesse.1 – Meine Zeit ist aber so beschränkt, daß diese Oper mich doch nicht bis zu Montag Abend dort festhalten darf! – Würde glücklicher Weise, – in leichter Form, – noch jemand krank, u käme dadurch, wie vor 2 Jahren, hinterher noch eine Ihrer Opern zur Aufführung: so würde ich in ein Paar Nächten nachzuholen suchen, was als denn der dortige Oster-Montag mich noch versäumen ließe! –
So pressirt ich nun aber gerade auch bin: so mögte ich doch nicht gern Ihre neue Fantasie für Piano u Violine in dem so entzückend geistovllen Vortrage mit Ihrer verehrten Frau Gemahlinn, – die Sie mir nur ein Mahl nebst einer auch neuen Arie mit 4händiger Begleitung zu verheißen bereits die große Freundlichkeit hatten! – in Ruhe lassen! – und ob ich daher am Sonntag- oder Montag-Morgen in der Frühe von dort unter Begleitung begeisternder Nachklänge meinen raschen Hengsten mich wieder anvertrauen, um bis zum Abend die 10 Meilen nach Reifenstein zurückgelegt zu haben, wird ganz davon abhängen, ob schon vor Sonntag ihnen passlich ausführbar seyn wird, solche interessante Novitäten Ihres herrlichen Genius mich in succum et sanguinem2 durchglühen zu lassen! – Will das anders nicht so recht paßlich u für Sie Selbst3 gemüthlich sich fügen: so bleibe ich recht gern bis zum Montag’s Sonn-Aufgange. –
Recht herzlich freue ich mich auch der Hoffnung, dort Ihren verehrtesten Herrn Vater zu sehen! –4 dem diese Aufführunge Ihrer neuen Meisterwerke einen, sein so glückliches u kräftiges Alter wahrhaft verjüngenden, doppelt reitzender Genuß gewähren müßen! –
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen u mit mir Ihrer liebenswürdigen gnädigen Frau Gemahlinn herzlichst verehrungsvoll! –
Mit stets nur wachsender Dankbarkeit

Ihr wärmster Verehrer
CFLueder.



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Lueder, 30.03.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 26.05.1841.

[1] Vgl. Lueder an Spohr, 16.03.1834.

[2] „ in succum et sanguinem“ (lat.) = „in Saft und Blut“.

[3] „für Sie Selbst“ über der Zeile eingefügt.

[4] Hier gestrichen: „für“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.01.2021).