Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg am 5ten März 1841.

Ihr eben so interessantes als ausführliches Schreiben vom 21t v.M.[,] mein innigst verehrtester Gönner! verehren wir um so dankbarer, als die Vielseitigkeit und Ausdehnung Ihrer Geschäfte gleich groß ist! –
Die tiefe Theilnahme, welche dort wie allgemein, so auch vorzugsweise in Ihrer verehrten Familie, die unerwartete Hintritt1 Ihrer selbst in Auslande so allgemein verehrten würdevollen Churfürstinn hervorrufen werde, war auch uns, mit empfindend, gleich gegenwärtig, als wir diese Trauerbothschaft in den Zeitungen fanden! –
Und in der Sphäre des Privatlebens haben uns auch die, dem so interessanten Hn Firnhaber schon in so jungen Jahren auferlegten schweren Prüfungen recht tief wehmüthig berührt!2
Vorzugsweise Ihre Hymne an Gott3 würde mir gewis einen unendlich großen Genuß gewährt haben! – so wie ich denn mit wahrer Sehnsucht an die Char-Woche4 denke! – Deren Interesse nun auch durch einige neue Ihrer bezaubernden Zimmer-Compositionen noch um so mehr erhöhet ist! –
Durch einige Morgen-Besuche unerwartet dem Schreibtische entzogen und doch zunächst den Wunsch verfolgend, daß das beygehende Fabrikat des einschläglichen für diesen Winter letzten Bereitung noch mit heutiger Post abgehe, hege ich nur noch unsern herzlichen Wünsche herzlichsten u besten Apetites dafür hinzu! u den unvorgreiflichen Wunsch, vielleicht eine Leber- u eine Weis-Wurst der Frau v. Malsburg senden(???) mit auch5 unserem angelegentlichsten Empfehlungen präsentiren lassen zu wollen! –
Meine Frau ist jetzt, – dem im Ganzen üblen Jahre zum Trotze, – Gottlob vorzüglich wohl! – u ich überlasse mich gar gern der Hoffnung, daß ihr auch demnächst der Muth nicht fehle, endlich ein Mahl die so großen Kunstgenüsse, welche die Char-Woche Ihnen stets zu verdanken hat, mit mir zu theilen! –
Erhalte ich eine ändernde Nachricht nicht von Ihrer Güte: so treffe ich spätestens am Grün-Donnerstag Mittag zur Probe Ihres Oratorii dort ein; und wenn etwa Mittwoch Abend eine interessante Oper pp wünschen als dann! – Ihnen wie Ihrer innigst verehrtesten gnädigen Frau Gemahlin uns bis dahin auf das angelegentlichste empfehlend, mit vollem Gemüthe
Ihr

so dankbarer als warmer Verehrer
CFLueder.

Unvermeidlich ventre à terre6! – um die Post noch zu erhaschen! –



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Lueder, 21.02.1841. Spohrs Antwortbrief vom 30.03.1841 ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Kurfürstin Auguste starb am 19.02.1841.

[2] Carl Georg Firnhaber war gerade frisch verwitwt; sein Sohn Wilhelm erst etwas über ein Jahr alt.

[3] „Gott du bist groß“.

[4] Aufführung von Spohrs Oratorium Der Fall Babylons.

[5] „auch“ über der Zeile eingefügt.

[6] „ventre à terre“ (frz., Fachsprache Reiten) = „im gestreckten Galopp“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.01.2021).