Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Taylor, E.:18
Druck: Dominik Höink, „Louis Spohrs Der Fall Babylons und die ,Besazardramen‘ seit Georg Friedrich Händel“, in: Die Oratorien Louis Spohrs. Kontext – Text – Musik, hrsg. v. Dominik Höink, Göttingen 2015, S. 343-377, hier S. 362 (teilweise)

Dr. Louis Spohr
Hesse Cassel
Germany –


3 Regent Square
Feb. 9. 1841

Lieber, geehrter Freund,

Ihr willkommenes Schreiben vom 29. December traf in London ein, weil1 ich in Manchester und Liverpool beschäftigt war, einige Vorlesungen über die Englische Dramatische Musik an ungefähr 15,000 Zuhörer zu halten.
Nehmen Sie meinen besten Dank für die Bereitwilligkeit entgegen, mit der Sie mir den Samson verschafften. Sie mögen ihn entweder mit Herrn Garrick oder Charles Horsley mir übersenden, ganz wie es Ihnen am besten paßt, weil ich im Stande bin, mit andren Vorbereitungen einige Zeit fortzufahren. – Was Sie mir über Mosel’s Bearbeitung in der Symphonie sagen, die den Fall von Dagon’s Tempel beschreibt, ist durchaus befriedigend. Händel gebraucht bei dieser Stelle nur Saiteninstrumente, und der Effect ist lächerlich. Madame Spohr wird Ihnen die Originalzeile in Milton vorlesen, welche so lautet:

O what noise!
Mercy of Heaven – what hideous noise was that?
Horribly loud! etc. &c. &c. –2

Ich habe meine Uebersetzung des Falles von Babylon beinahe beendigt. Obgleich ich gethan habe, was ich vermochte, dennoch muß ich sagen, ich wünsche sie der Musik würdiger. Ihr Glanz, lieber Freund, zwingt mich „to pale my ineffectual light”3. (Shakespeare.)
Ich war genöthigt unserer Aussprache des Bĕlsāzăr wegen, Ihre Noten abzuändern. – Benedict (der sehnlichst wünschte, Ihr Werk kennen zu lernen) so wie unser Freund Turle sind es mit mir durchgegangen, und beide bitten mich Ihnen zu sagen, wie sehr sie es bewundern.
Ich bin jetzt eifrig daran, die Chöre für die Sänger einzurichten, und der erste Act wird für sie binnen einem Monate fertig sein. Sie, lieber Freund, würden mich sehr verpflichten, wollten Sie die Güte haben und die vollständigen Instrumental-Parthien (ohne die Worte u. Gesangstimmen der Recitation) für mich abschreiben lassen, und mir übersenden. Da Ihr Orchester sie gespielt hat, so würden wir hier über die Correctheit derselben beruhigt sein. Vielleicht würden Sie so gütig sein, und mir das bald besorgen, da ich in diesser geschäftvollen Stadt gezwungen bin, Proben vorzunehmen, wenn ich kann, und dies ist nicht oft der Fall.
Ich denke, der einfachste und leichteste Weg, meine Schuld gegen Sie zu entrichten, ist der, daß Sie durch Ihren Banquier einen Wechsel auf mich ausschreiben lassen. Er wird Sorge tragen, daß Sie den vollen Betrag Ihrer Auslagen zurück erhalten, und der Wechsel wird mir hier für die Zahlung desselben übergeben werden. – Ich habe den ersten Theil meiner Vorlesungen über die Musik der deutschen Schule beinahe beendigt – von Luther und seinen Zeitgenossen bis zu J.C. Bach – und werde sie nach Ostern in der „Royal Institution” vortragen. Mehrere von den Stücken, die ich in Ihrer Bibliothek, so wie in der in Brüssel fand, werden diesem Cursus als Beispiele beigegeben werden. Die Bücher, welche sie mir im letzten Jahr sandten, waren mir ebenfalls hierbei von dem größten Nutzen. –
Die Gesellschaft, die sich hier für die Herausgabe seltner u. schätzbarer Englischer Compositionen bildete, gedeiht gar herrlich. Das erste Werk ist eben fertig – eine Missa von W. Byrd, componirt im Jahre 1553.4 Diesem wird die erste Sammlung von 30 Madrigals von J. Wilbye5 folgen. Obgleich wir in jetztiger Zeit in England nur Schüler in unser Kunst sind, so wird man hieraus lernen, daß unsere Väter wenigstens Meister waren.
Ich bitte, mich freundlichst Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen. Es freut mich, daß sie meine beiden großen Landsmänner, Shakespeare und Milton zu Gefährten ausersehen hat, und ich hoffe, ihr einst wieder von beiden vorlesen zu können. Empfehlen Sie mich ferner, ich bitte, allen Mitgliedern ihrer Familie, Frau v. Malsburg u Herrn Hauptmann, der, wie ich höre, ein intimer Freund Bendecits ist. Mit voller Hochachtung

Ihr Freund
Edw. Taylor.

P.S. Meinen besten Dank für Ihre gütige, obgleich erfolglose Nachfrage hinsichtlich Dr. Bull. Ich fürchte, ich muß jetzt jede Hoffnung aufgeben, zu erfahren, wo der erste Gresham Professor ruht.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Taylor, 29.12.1840. Spohr beantwortete diesen Brief am 13.04.1841.
Den deutschen Text dieses Briefs schrieb Taylors spätere Schwiegertochter Meta geb. Dochow (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[1] Sic! Vermutlich falsche Übersetzung von „while“.

[2] Vgl. John Milton, „Samson Aganistes“, in: The Poetical Works of John Milton, Bd. 5, London 1809, S. 343-486, hier S. 463.

[3] Als Zitat noch nicht ermittelt.

[4] William Byrd, A mass for five voices, composed between 1553 & 1558 for the old Cathedral of Saint Paul, hrsg. v. Edward F. Rimbault (= Publications of the Musical Antiquarian Society), London 1841.

[5] John Wilbye, The First Set of Madrigals for Three, Four Five, And Six Voices, hrsg. v. James Turle (= Publications of the Musical Antiquarian Society), London 1841.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.12.2018).