Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,185

Cassel den 1sten
Februar 1841

Geliebter Freund,

Beyliegend die Partitur zu „Schill” für Militairmusik. Ausgeschriebene Stimmen kann ich nicht mitsenden; ich besitze deren nicht und die der hiesigen Eunomia werden übermorgen in einem Concert1 für die hiesigen Wasserbeschädigten2 gebraucht. Die Stimmen sind aber bald ausgeschrieben. Sollten Sie die in der Partitur bezeichneten Instrumente dort nicht alle haben, so können sie durch andere ersetzt werden; es darf jedoch natürlich nichts wesentliches unterbleiben.
Vor einigen Tagen gaben wir auch im Theater ein großes Concert für die Überschwemmten.3 Es wurden die beyden ersten Jahreszeiten von Haydn und die bey Simrock gestochene Hymne an Gott von mir gegeben und viel Geld (450 Rth) eingenommen. Letzteres Werk hörte ich zum ersten Mal mit Orchester und war erfreut über die große Wirkung, die es machte. Es besteht aus einem Chor, Sopranarie mit Chor, Baßrezit4, Duett für Alt und Tenor, Quartett für Solostimmen und Schlußchor und Fuge. – Der Chor bey dieser Aufführung im Theater war zum ersten Mal durch unsere 3 Gesangvereine5 gebildet, die früher dort nicht singen wollten. Er war mehr an 200 Stimmen stark und amphitheatralisch aufgestellt. Das Orchester blieb am Platz. Die Wirkung war auffallend gut.
Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen.

Ihr
Louis Spohr

NS. Die beyliegende Partitur können Sie behalten. Es scheint mir aber zweckmäßiger wenn blos der 4händige Clavierauszug gestochen und die Partitur in Abschriften an solche Vereine und Liedertafeln, die sie gebrauchen gegeben wird. Doch machen Sie das, wie Sie’s am besten halten.



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 17.01.1841. Speyer beantwortete diesen Brief am 29.05.1841.

[1] Vgl. „Cassel, im Juli 1841”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 43 (1841), Sp. 594-600 und 614ff., hier Sp. 599

[2] Zum Hochwasser am 18.01.1841 vgl. „Fulda, Leine, Diemel etc. (Jänner 1841)”, in: Jurende’s Vaterländischer Pilger 29 (1842), S. 298; „Allerlei”, in: Regensburger Zeitung 27.01.1841, nicht paginiert;  „Kassel, 25. Januar”, in: Bayreuther Zeitung (1841), S. 113

[3] Zum Konzert am 29.01.1841 vgl. „Cassel, im Juli 1841”, ebd.

[4] Abk. f. Baßrezitativ.

[5] Cäcilienverein, Singakademie und Liedertafel.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.03.2016).