Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 2° Ms. hist. litt. 33

Sr. Wohlgeb.
Dem Herrn Doctor Wiskemann
in
Hersfeld.

franco.


Cassel den 28sten
Januar 1841.

Wohlgeborner,
Hochgeehrter Herr,

Die Schreibweise der Komponisten bey solchen Stellen, die Ihre Anfrage veranlaßt haben, ist so verschieden, daß sich keine allgemeine Regel für die Vortragsweise geben läßt. Ist es eine Begleitungsfigur, die so bezeichnet ist,so muß sie allerdings sovorgetragen werden. In diesem Falle wird aber jeder sorgsame Komponist wenigstens die ersten Takte in 8teln ausschreiben. Sind die Noten in Gesangmusik mit Punkten bezeichnet, so will der Komponist die Sylben zwar getrennt haben, doch darf zwischen ihnen nicht Athem geholt werden, am allerwenigsten in der Mitte eines zusammenhängenden Wortes wie „schwinden“. Überhaupt ist es eine Geschmacksverirrung, wenn man in die Gesangmusik die scharf abgestoßenen Noten der Instrumentalmusik hinein bringt und es betrübt mich daher, daß der Meister aller Meister, Mozart in einem Chor des Requiem das Beispiel dazu gegeben hat!
Unsere moderne Musik ist ganz auf gleich schwebende Temperatur basirt; es existirt daher kein Unterschied zwischen dis und es usw. Ob man auf Saiteninstrumenten bey enharmonischen Verwechselungen einen andern Finger zu nehmen habe, wird durch das, was darauf folgt, entschieden; ist es möglich, behält man denselben Finger.
Die fraglichen Stellen im Quintett Œuvr. 33 werden am bequemsten und wirksamsten auf folgende Weise gespielt


So glaube ich Ihre Anfragen genügend beantwortet zu haben.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ew. Wohlgeb.
ergebenster
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Wiskemann, Heinrich
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Mozart, Wolfgang Amadeus : Requiem
Spohr, Louis : Quintette, Vl 1 2 Va 1 2 Vc, op. 33.1
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841012817

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Wiskemann an Spohr, 24.01.1841. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wiskemann an Spohr, 02.08.1842.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (05.02.2018).