Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,184
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 220 (teilweise)

Cassel den 10ten Janu[ar]
41.

Geliebter Freund,

Ein Lied, was ich für die Einweihung des Schill’schen Invalidenhauses in Braunschweig schrieb, hat der hiesigen Liedertafel so gefallen, daß ich von vielen Leuten hier aufgefordert wurde, es herauszugeben. Da ist mir eingefallen, daß Sie es vielleicht zu einer Collection kl. Kompositionen für die Mozartstiftung brauchen könnten. Ich schicke es Ihnen beyfolgend. Es ist mit Begleitung stark besetzter Militairmusik und macht mit dieser einen imposanten Effekt.1 Ist jedoch der Chor nicht gar zu stark besetzt, so genügt auch die 4händige Clavierbegleitung. Lassen Sie es einmal von Ihrem Verein singen und verfügen Sie dann nach Belieben darüber. Sollten Sie es bey einer Production mit Militairmusik machen wollen, so steht die Partitur auch recht gern zu Diensten. – Wenn der patriotische Raptus bey Ihnen in Frankfurt noch nicht ganz verraucht ist, so trifft es mit diesem gut zusammen!
Wie Sie mich neulich aufforderten, Ihnen aus hiesiger Gegend einen Bewerber für das Mozartstipendium vorzuschlagen, wußte ich wohl einen, der an Fertigkeiten hieher alle andern übertreffen würde; ich nannte ihn aber nicht, weil er Hauptmann’s Schüler ist und ich mir einbildete, er müßte, wenn er das Stipendium erhalte, nach Frankfurt gehen und dort seinen Unterricht erhalten.
Es ist nämlich der junge Bott2 von hier der mit seinem Vater3 vor einigen Jahren die Reise nach Holland machte.
Er ist Virtuos auf Violine und Pianoforte und entwickelt jetzt auch ein so bemerkenswerthes Kompositionstalent, daß ich ihm auch damit eine glänzende Zukunft verspreche. Seit einem halben Jahre ist er im Violinspielen mein Schüler und noch nie habe ich einen so fähigen gehabt. Hauptmann sagt dasselbe. Könnten Sie diesem das Stipendium zuwenden und es so einrichten, daß er seine Studien hier fortsetzen könnte, so würden Sie ein gutes Werk thun, (denn der Vater ist ein armer Musiker bey der Garde,) und mit dem ersten Zögling der Mozartstiftung vielleicht einen zweiten Mozart der musikalischen Welt schenken!4
Lassen Sie mich doch bald gefälligst wissen, ob es um die Bewerbung nicht schon zu spät ist und was der Vater in diesem Fall weiter zu thun hat! – Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen. Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Bott, Anton
Bott, Jean Joseph
Hauptmann, Moritz
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Schill, Mch Blasorch, WoO 71
Erwähnte Orte: Braunschweig
Frankfurt am Main
Kassel
Erwähnte Institutionen: Liedertafel <Kassel>
Mozartstiftung <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1841011002

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief schließt direkt an Spohr an Speyer, 03.12.1840 an. Speyer beantwortete diesen Brief am 17.01.1841.

[1] Diese Formulierung scheint der Vermutung Göthels zu widersprechen, dass die Instrumentation nicht von Spohr selbst stamme (vgl. Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 432).

[2] Jean Joseph Bott.

[3] Anton Bott.

[4] Spohr schlug Bott nicht nur vor, er war für die Stipendienvergabe auch selbst als Gutachter tätig (vgl. Vgl. Ulrike Kienzle, Neue Töne braucht das Land. Die Frankfurter Mozart-Stiftung im Wandel der Geschichte (1838-2013) (= Mäzene, Stifter, Stadtkultur 10), Frankfurt am Main 2013, S. 77).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.03.2016).

Cassel, 10. Januar 1841.

... Jean Bott ist Virtuose auf Violine und Pianoforte und entwickelt jetzt auch ein so bemerkenswertes Kompositionstalent, daß ich ihm auch damit eine glänzende Zukunft verspreche. Seit einem halben Jahre ist er im Violinspielen mein Schüler und noch nie habe ich einen so fähigen gehabt. Hauptmann sagt dasselbe. Könnten Sie diesem das Stipendium zuwenden und es so einrichten, daß er seine Studien hier fortsetzt, so würden Sie ein gutes Werk tun und mit dem ersten Zögling der ,Mozartstiftung’ vielleicht einen zweiten Mozart der musikalischen Welt schenken ...