Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Inhaltsangabe: Hans Haase, „Herrmann, Gottfried“, in: Musik in Geschichte und Gegenwart 6, Sp. 264-274, hier Sp. 270

Hochverehrtester H. Kapellmeister!

Ihnen u. Ihren verehrten Angehörigen zu dem bevorstehendem Neujahre die dauerhafteste Gesundheit u. das größte Glück wünschend, erlaube ich mir, Sie wiederholt um Ihr großes Oratorium „des Heilands letzte Stunden zu bitten, Die Zeit der Aufführung ist zwar nicht mehr so sehr fern, jedoch denke ich es bey erhaltenden Studien zu Stande bringen zu können, weshalb ich Sie auch sehr dringend bitte es mir baldmöglichst per Post zu übersenden. Schon früher würde ich mich deshalb an Sie wieder gewandt haben, wenn mich nicht ganr zu überhäufte Geschäfte davon abgehalten hätten. – An Chorstimmen werde ich wenigstens 15 für jede Stimme brauchen, u. sollten denn noch einige fehlen, so kann ich sie ja leicht zuschreiben lassen. Sie wollten die außerordentliche Güte haben, mir selbige zu besorgen. Außer den Blasinstrumenten wünsche ich Partitur, 5 erste Violin – 4 zweite – 4 Viola- u. 5 Basstimmen, u. sehr angenehm würde es mir seyn, wenn Sie mir einen gedruckten Text mit beylegen könnten. – Mit der Post wird zwar der Transport etwas theurer werden, aber es liegt mir sehr daran, recht bald mit dem Einstudiren anfangen zu können, u. per Fracht würde es viel zu lange dauern. – Mit den diesjährigen Concerten geht es mir nicht besser, als früher. Die täglichen Unkosten verzehren die Gesammteinnahmen, so daß ich nicht im Stande bin neue Werke anzuschaffen. Übrigens scheint doch das besuchende Publikum immer mehr u. mehr empfänglicher zu werden, aber dennoch nicht größer. Man muß auf bessere Zeiten hoffen. Wie sehr gern hätte ich eine Ihrer letzten Symphonien angeschafft!! aber wie gesagt. – – die 2te aus D moll1 welche ich vor kurzer Zeit u. die aus Es dur2 welche ich vegangenen Winter aufführte gefielen ganz außerordentlich, u. wurden vom Orchester mit der größten Liebe ausgeführt. Wenn Sie es nicht als unverschämt auslegen wollen, so möchte ich Sie wohl bitten, wenn es Ihnen möglich, mir die c moll Symphonie3 oder die letzte4 beyzulegen. Die Weihe der Töne hatte ich von Hamburg geliehen. Durch Erfüllung dieses Wunsches würden Sie mich außerordentlich erfreuen.
Nebst den besten Empfehlungen von mir u. meiner Frau an Sie u. Ihre verehrte Familie verbleibe ich

mit der größten Hochachtung
Ihr
ganz Ergebener
Gottf. Herrmann.

Lübeck den 28sten Dec.
1840.

Autor(en): Herrmann, Gottfried
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 102
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 20
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 49
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 78
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Lübeck
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1840122840

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Herrmann an Spohr, 04.08.1840. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Op. 78.

[2] Op. 20.

[3] Sowohl op. 78 als auch 102 stehen in c-Moll.

[4] Vermutlich ist hier die zwar bereits 1837 komponierte jedoch erst 1840 gedruckte Sinfonie op. 102 gemeint; Spohrs bereits 1839 komponierte Historische Sinfonie op. 116 wurde erst 1842 gedruckt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.08.2021).