Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,183
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 219f. (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Frankfurt a/m


Cassel den 3ten
December 1840.

Geliebter Freund,

Hauptmann und ich haben nachgesonnen, ob wir jemand zur Bewerbung um das Stipendium der Mozartstiftung empfehlen könnten, haben aber niemand gefunden. Es wird jedoch sicher an Bewerbern nicht fehlen; mögte nur ein recht talentvoller darunter seyn!
Von dem neuen Director1 des dortigen Cäcilienvereins habe ich schon recht viel Gutes gehört und freue mich daß dieses ehemals so herrliche Institut nun zu neuem Leben erwachen wird.
Mein neues Oratorium „Der Fall Babylons”, ist fertig und bis auf einige Bogen auch vollständig instrumentirt. Am Cäcilientage veranstaltete ich eine Aufführung am Pianoforte vor einer kleinen aber auserwählten Gesellschaft, mußte jedoch, weil wir, des Festes wegen, eine Abendtafel mit Gesang folgen ließen 5 Nummern des ersten Theils weglassen, so daß ich von diesem Theil nun doch den Totaleindruck noch nicht erprobt habe.2
Am Charfreitage wird (nach einem Übereinkommen mit dem Comitée in Norwich,) hier eine öffentliche Aufführung mit großem Orchester stattfinden; dann bleibt das Werk aber bis zum Herbst 1842, d.h. bis zum Musikfeste in Norwich im Pulte liegen und wird dann erst, in England und Deutschland gleichzeitig in beyden Sprachen veröffentlicht. Die Komposition dieses Werks hat mir große Freude gewährt und ich bin fast betrübt, daß es nun vollendet ist.
Meine historische Symphonie gab ich zum Schluß unseres 1sten Abonnementsconcerts. Sie fand große Theilnahme, weil das Publikum, wie bey der 4ten, zur Selbsttätigkeit angeregt ist.3 Jetzt ist sie in Leipzig und wird nächstens dort gegeben werden. Bis zur Ostermesse erscheint sie bey Mechetti in Wien.
Nun habe ich nach Vollendung des Oratoriums noch zwei Zusagen wegen ein[er] Komposition zu erfüllen4, dann [w]erde ich meinem Versprechen f[ür] die Mozartstiftung nachkomm[en]. Da ich für das Gesangfest, dem sie ihre Entstehung zu danken hat, bereits eine Komposition lieferte, so kann man mir schon etwas mehr Frist gönnen, wie andern.
Unter herzlichen Grüßen an die lieben Ihrigen, wie immer mit wahrer Freundschaft ganz

der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 15.11.1840. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 10.01.1841.

[1] Franz Joseph Messer.

[2] Demnach wird die für den 16.04.1840 vermerkte Aufführung nur eine Teilaufführung gewesen sein (vgl. „Tagebuch”, in: Neue Zeitschrift für Musik 12 (1840), S. 200). 

[3] Vgl. „Cassel, im Juli 1841”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 43 (1841), Sp. 594-600 und 614ff., hier Sp. 596

[4] Vermutlich das 1841 bei Spehr in Braunschweig erschienene Lied „Räthselhaft” WoO 103 und der von Charles Bayle Broadley beauftragte Psalm 128 op. 122.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.03.2016).

Cassel, 3. Dezember 1840.

... Mein neues Oratorium, ,Der Fall Babylons’, ist fertig und bis auf einige Bogen auch vollständig instrumentiert ... Die Komposition dieses Werks hat mir große Freude gewährt und ich bin fast betrübt, daß es nun vollendet ist. Meine ,Historische Sinfonie’ gab ich am Schlusse unseres ersten Abonnements-Konzerts. Sie fand große Teilnahme, weil das Publikum, wie bei meiner vierten Sinfonie, ,Die Weihe der Töne’, zur Selbsttätigkeit angeregt worden ist. Jetzt ist sie in Leipzig und wird nächstens dort gegeben werden ...