Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Warschau 12. September
1840.
Hochwohlgeborner Herr
Hochverehrter Herr Doctor!
Während der ersten, u zweiten Daseyn, meines Sohnes, bey Ew. Hochwohlgeboren, habe ich die Erfahrung gemacht, so wie es jedermann schon weiß, daß so wie Ihre, die Welt erfreuende Kunstleistungen keine Gränzen kennen, so ist auch Ihre Herzensgüte, u Bereitwilligkeit, Jedem der diese in Anspruch nimmt, zu dienen ohne Gränzen. In diesem Maaße ist auch kein Vertrauen zu Ew. Hochwohlgeb. welches mich erdreistet, mit Gegenwärtigem ergebenst zu belästigen.
Betreff m Sohnes, seine Leistungen u ferneres Fortkomen, lebe ich als liebender Vater in steter Unruhe u Besorgniß. Der Gedanke gehet in mir oft auf: was wird aus ihm werden? Da er durchaus, ich gestehe es gegen meinen Wunsch, nur bey der Musik bleiben will, so frage ich mich oft: wird er es auch so weit bringen, daß er durch diese Kunst ein ruhiges unabhängiges Leben wird führen können? deutlicher gesagt, wird er ein ausgezeichneter Virtuos werden, u es zu einer solchen Rufe bringen können, wie es jetzt die Welt verlangt, um berühmt dazustehen? Den um ein gewöhnlicher Musiker zu beliben, wozu weiter die bedeutende Kosten, die ich tragen muß, die außerordentliche Mühe die er sich geben muß, noch mehr aber, wozu die fernere Zeit verschwenden, mit weitere Studien, da er doch als gewöhnlicher Musiker wie ich hoffe schon schön dasteht, u er doch bey seinen sonstigen Sprachkenntnißen bey seinem jugendlichen Alter im 20sten Jahre, doch noch ein leichteres u mehr ein bringendes Gewerber wählen kan. – Ich sehe zwar, daß er während den ersten 7 Jahren seit er Musik treibt, bedeutende Progressen gemacht hat; wird er aber in den nehmlichen Verhältniß auch in der Folge steigen können, um wie gesagt ein berühmter virtuos werden zu können? Wer ist mehr im Stande mir in diese Beziehungen Gewißheit zu geben, wie Ew. Hochwohlgeboren? Ich bitte Sie daher u flehe Sie sogar an Hochgeehrter Herr Doctor! mich mit nächster Post, mit wahrhafter offener Meinunge beleuchten zu wollen, u zugleich zu rathen, welche Richtung ich mit ihm jezo nehmen soll? Doch wegen seine fortschritte in den Studien der Composition bey H. Hauptmann, belehren Sie mich gefälligst ob er es darin weit bringen kann u wie es mit sein jetzigem Fleiß aussiehet? Nicht minder wie es in Beziehung seiner sonstigen Moralischen Aufführung stehet? Ich kenne ihn zwar bisher als sehr solid, u fleiußig versichert mir zu seyn, wie leicht aber tritt ein junger Mensch in seinen Jahren nicht aus dem gehörigen Gedeihe.
Wie gern Herr Doctor, wollte ich Ew. Hochwohlgeboren mit lezte Fragen verschonen; da ich aber in Cassel weder Freund noch sonstige Bekannte habe, auch von niemanden die reine Wahrheit hierüber wie von Ew. Hochwohlgeb. erwarten kann, daher meine Dreistheit in dieser Beziehung. Auch bitte ich Sie ergebenst daß mein Sohn vor der Hand von diesem mögl.(???) Schreiben noch nichts erfahre. Er würde sich dadurch in nöthiger Weise verlezt fühlen, weil ihm noch die Erfahrung der Unruhe liebender Eltern über das wohl des Kindes noch fehlt.
Genehmigen Sie hochgeehrter Herr Doctor die Versicherung meiner besondern Hochachtung mit der ich stets verharre
Ew. Hochwohlgeboren
Ganz gehorsamster Diener
Paul Landowski
Meine liebe Frau empfiehlt sich dero werthen Gemahlin nicht wieder von mir. H Ressel der anhaltend Ihre Werke fürs Piano u violine1 bearbeitet2 und gegenwärtig ist empfiehlt sich ergebenst.
Autor(en): | Landowski, Paul |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hauptmann, Moritz Landowski, Sigismund Martin Ressel, Theodor |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Kassel |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1840091240 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz Landowski an Spohr, 29.08.1839.
[1] „u violine“ über der Zeile eingefügt.
[2] Vgl. Theodor Ressel an Spohr, 18.03.1837.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.01.2022).