Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195

Professor Taylor
3, Regent Square
London


Cassel den 30sten
August 1840

Geehrtester Freund,

So eben erhalte ich von dem Musikverleger Niemeyer in Hamburg einen Brief1, worin für das Musikfest in Liverpool2 Partitur und Gesangstimmen meines Oratoriums „des Heilands letzte Stunden“ bestellt werden und um die größeste Eile gebeten wird.
Ich begreife nun zwar nicht, wie man glauben kann, dieses schwere Werk lasse sich noch in so kurzer Zeit einstudiren, habe indessen dem Herrn Niemeyer geschrieben3, daß die gestochenen Chorstimmen bey Ihnen zu bekommen sind, wie ich dieß auf einem, dem englischen Clavierauszuge beygebundenen Zettel ersehe. Auch möge er dem Comitée in Liverpool melden, daß die Partitur mit den, für den4 englischen Text gemachten Abänderungen ebenfals bey Ihnen zu bekommen sey und daß Sie das Honorar für eine Abschrift bestimmen würden. Sollte man sich daher an Sie wenden, so bitte ich,5 von Ihrer Partitur eine Abschrift machen zu lassen und ein den dortigen Verhältnissen angemessenes Honorar in meinem Nahmen zu fordern. Ich glaube indessen nicht, (wie schon gesagt,) daß man mit dem Einstudiren des Werks so schnell fertig werden kann,6 sondern vielmehr,7 daß man den ganzen Plan für dieses Jahr wieder aufgeben wird.
Mit der Komposition des 2ten Theils unsres neuen Oratoriums8 bin ich bis zur Hälfte fertig, nämlich bis nach dem Marsch und Chor der siegenden Perser. Ich habe dieß zum Ausschreiben gegeben und werde es nächsten Mittwoch im Verein9 probiren. Von der Scene mit der schreibenden Hand und dem Siegesmarsch mit Chor hoffe ich guten Efekt. - Wie weit sind Sie mit dem Unterlegen des englischen Textes gekommen? Haben sich noch viele Schwierigkeiten dargeboten?
Meine Frau war unendlich erfreut beym Empfang des Buchs{10] und lieben Briefs Ihrer Fräulein Tochter11 und behält sich vor, ihr selbst brieflich zu danken.
Von Wien habe ich, unbegreiflicher Weise immer noch keine Antwort.12 So wie sie erfolgt, werde ich sie Ihnen gleich mittheilen.
Für nächstes Jahr bin ich von zwei Orten zur Direction von Musikfesten eingeladen worden, von Hamburg und von Lille zu einem französischen. Noch weiß ich aber nicht, wohin ich gehen werde.
Von meiner Frau, Fr. v. Malsburg, so wie allen ihren hiesigen Bekannten die herzlichsten Grüße. Auch bitten wir, uns den lieben Ihrigen, den lieben Secretair13 mit eingeschlossen, angelegentlichst zu empfehlen. Baldigen Nachrichten von Ihnen entgegen sehend mit herzlicher Freundschaft ganz

der Ihrige
Louis Spohr

NS. Ihres Auftrags14 habe ich in Lübeck und Hamburg gedacht15, von ersterm Orte aber schon die Nachricht bekommen, daß die Kirchenregister nichts bis zu jenem Zeitpunkt reichen!

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Taylor, Edward
Erwähnte Personen: Bull, John
Niemeyer, Georg Wilhelm
Whittle, Kate
Erwähnte Kompositionen: Händel, Georg Friedrich : Samson
Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte: Hamburg
Kassel
Lübeck
Erwähnte Institutionen: Cäcilienverein <Kassel>
Musikfeste <Hamburg>
Musikfeste <Hull>
Musikfeste <Lille>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1840083004

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 24.07.1840. Taylor beantwortete diesen Brief am 15.09.1840.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[2] Aus Taylors Antwortbrief ergibt sich, dass eigentlich ein Musikfest in Hull gemeint ist.

[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[4] Hier ein(?) Buchstabe („A“?) gestrichen.

[5] Hier 2-3 Buchstaben („Sie“?) gestrichen.

[6] Hier gestrichen: „und“.

[7] „sondern vielmehr,“ über der Zeile eingefügt.

[8] Der Fall Babylons.

[9] Cäcilienverein.

[10] Vermutlich John Milton, Paradies Lost (vgl. Nachschrift in Spohr an Taylor, 01.10.1840).

[11] Catherine Taylor.

[12] Taylor hatte Spohr in seinem Brief vom 17.12.1839 gebeten, ihm Händels Samson in der Bearbeitung von Ignaz von Mosel zu besorgen. Im Vorbrief bat Taylor ihn zu informieren, wenn Spohr etwas neues aus Wien höre.

[13] Edward Taylor ließ zu dieser Zeit seine Briefe an Spohr durch seine spätere Schwiegertochter Meta geb. Dochow ins Deutsche übersetzen (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[14] Ermittlung von Sterbeort und Datum des englischen Komponisten John Bull (vgl. Taylor an Spohr, 28.06.1840).

[15] Spohr war in den Theaterferien nach Hamburg und Lübeck gereist (vgl. Marianne Spohr, Tagebucheinträge 02.-24.07.1840).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.12.2018).