Marianne Spohr, Tagebuch von der Reise nach Gandersheim, Lübeck, Hamburg, Braunschweig. Juli 1840
Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 2.1.09

Donnerstag d. 16ten

Morgens befand sich Spohr besser, aber Line1 nun unwohl. Wir besahen den schönen Musiksaal mit vortrefflichem Breslauer Flügel, ich wollte eben ein wenig spielen, als schon wieder mehrere Besucher zu Spohr kamen, und für uns erfreuliche Briefe v. d. Eltern. Während dann Sp. einige Besuche machte, gingen L. und ich mit H. und Mad. Schubert in d. Stadt herum, die wir sehr großartig und schön fanden. Besonders d. beid. Jungfernstiege am Wasser, etc. Höchst prachtvoll aber ein ungeheures Kastenhaus, und eben so glänzender Conditorladen dabei, wo noch auf d. Wall, in d. botanischen Garten, und sow.(???), Alles sehr schön. – ½ 4 Uhr bis 6 aßen wir im Saal zu Mittag, wobei mehre Herren, unt. and. H. Grund, und ein Frl. Unna als Gäste waren, und Spohr sehr viel Komplimente gemacht wurden. – ½ 7 gingen wir ins Theater in d. erst. Rang, wo uns d. Größe und Schönheit des Hauses sehr auffiel. Es war italienische Oper: Beatrice di Tenda, v. Bellini, worin Sänger und Orchester sehr gut, aber die Musik aus lauter andern Bellinischen zusammen gestohlen. Nachher folgten noch Scenen aus d. Liebestrank2 und Othello, v. andern guten ital. Sängern, und dazwischen sogar eine komische Balletscene, so daß es bis nach 10 dauerte, worauf wir zu Haus in unserm Zimmer Thee tranken. – Um 11 wurden plötzlich d. gze3 Straße lebendig, und es wurde Sp. ein großes Ständchen v. d. ganzen hanseatischen Musikcorps gebracht, die sehr gut spielten. Nach d. ersten (Puritaner) kamen sie Alle auf die Hausflur, und spielten da Vieles aus Jessonda und noch andere Sachen. Wir setzten uns eben auf den Gang, Sp. auf die Treppe um zuzuhören, und H. Schubert ließ sie reichlich mit Wein bewirthen.



Der letzte erhaltene Tagebucheintrag ist 15.07.1840. Der nächste erhaltene Tagebucheintrag ist 17.07.1840.

[1] Caroline Pfeiffer.

[2] L’elisir d’amore von Gaetano Donizetti.

[3] Wohl Abk. f. „ganze“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.01.2021).