Autograf: Stanford University Music Library (US-STum), Sign. MLM 979E

Cassel den 17ten Mai
1840.
 
Hochgeehrter Freund,
 
da nun bald die Zeit unserer Abreise1 nach Aachen herannahet, so darf ich es nicht länger verschieben, Ihnen zu schreiben wie sehr wir uns auf Ihren Besuch freuen! – Den 14ten Juni werden wir zurückkehren und vom 15ten an Ihrer Ankunft mit Ungeduld entgegen sehen. Wir haben schon allerley kleine Excursionen und Spaziergänge ausgedacht, um Ihnen unsere schöne Umgebung zu zeigen und wir hoffen damit Ehre einzulegen. Besonders freuen wir uns darauf, Sie nach Wilhelmshöhe zu führen. Es schmerzt uns nur, daß Sie nicht von irgend einerem Mitglied Ihrer Familie begleitet werden können, wodurch uns die Freude Ihres Besuchs verdoppelt werden würde. Doch wir geben die Hoffnung nicht auf, auch diese einmal bey uns zu sehen. Von Herrn Horsley haben wir mit Vergnügen gehört, daß seine Schwester Sie begleiten wird.
Ich war, seit ich Ihnen das letzte Mal schrieb, so mit Theatergeschäfften überhäuft, daß ich noch nicht die nöthige Ruhe finden konnte, um die Komposition des 2ten Theils unseres Oratoriums zu beginnen. Ich übereile mich auch nicht damit, weil ich wünsche etwas recht Gediegenes zu leisten. Den 1sten Theil habe ich nun vollständig instrumentirt und ich freue mich darauf, ihn Ihnen vorlegen zu können. Über die Herausgabe und den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Werks wollen wir uns mündlich besprechen.
Am Charfreitage gaben wir „des Heilands letzte Stunden”.2 Die Aufführung war eine recht gelungene und gewährte uns eine angenehme Erinnerung an Norwich. Da meine Frau noch einige Zeilen für Ihre Frau Gemahlin hinzufügen will, so schließe ich jetzt und verspare alles Uebrige für unsere nun baldigen mündlichen Unterhaltungen.
Mit der Bitte um herzliche Grüße an die lieben Ihrigen, mit wahrer Freundschaft ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 27.03.1840. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Taylor an Spohr, 28.06.1840.
 
[1] Spohr und seine Frau traten die Reise am 30.05.1840 an (vgl. Marianne Spohr, Tagebucheintrag 30.05.1840).
 
[2] Vgl. L., „Kassel, im Juli 1840”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 42 (1840), Sp. 597-603, hier Sp. 600.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.12.2018).