Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg am 10t May 1840

Erlauben Sie, mein innigst verehrtester Gönner! daß ich ein Mahl den Secretair der Gestern Mittag glücklich hier angelangten liebenswürdigen Gebrüder Müller1 mache! – eine Function, die ich nur gar zu gern übernehme! – Theils, weil jede Gelegenheit, Ihnen ohne Unbescheidenheit schreiben zu dürfen, mir ein Fest ist; – Theils aber auch, weil, – bey gleichzeitig noch einigem anderen eilichen Dependitionen2 der Müller, – dadurch auch erreicht wird, daß wir um so viel rascher zu Tische kommen; – also auch desto früher wieder eines u das andere Ihrer genialen Quartett-Inspirationen uns entzücken wird! –
Meine gut gemeinte vorläufige Benachrichtigung vom 6t d.M.3 in Betreff der Reise der Müller ergiebt sich nun doch als eine unberufene u voreiliche! – was ich dringend Ihrer freundlichen Nachsicht empfehle! –
Deren Reise-Plan ist zunächst nicht der von mir vermuthete. –
Sie spielen den 11t u 13t in Goettingen, u folgen von da erst dringenden Einladungen nach Thüringen; wo sie unter andern am 20t in Erfurt spielen, u über Gotha am 24t Abends in Cassel einzutreffen gedenken; – insofern nämlich der mir früher mitgetheilten Reise-Plan derselbe geblieben ist, daß Sie am 28ten von Cassel abreisen; und nicht etwa schon früher.
Welcher Tag nun einschließlich des 25ten bis zum Tage Ihrer Abreise für deren Quartett-Soirée zu wählen, und ob vielleicht zwey Abende, wie meisten Orten, z.B. den 25t u 27t dazu festzusetzen wären, überlassen sie gänzlich Ihrer freundlich wohlwollenden bestimmung, und weden Ihnen des Fallseyns geneigtesten Verfügungen in Betreff des dafür in Beschlag zu nehmenden Saales und der erforderlichen Bekanntmachungen auf das dankbarste verehren.
So viel ich weiß, sind gegenwärtig der 25t und 27t, – Montag u Mittwoch, – dort keine Theater-Tage; doch kann ich darinn vielleicht irren. –
Die darnach, u nach sontigen localen Rücksichten von Ihrer Güte im Interesse der Müller geneigtest zu treffende Bestimmung des oder der Tage, bitten dieselben inständigst, ihnen nach Göttingen, Adresse in der Krone bey Hrn. Bettmann, durch zwey Zeilen mittheilen zu wollen3a; woselbst sie bis Donnerstag, den 14t d. M. Morgens verbleiben.
Die Müller haben der dringlichsten Einladungen nach unsern benachbarten norddeutschen Städten so viele, (zugleich ein recht erfreuliches Zeichen einer allgemeinener werdenden Geschmackes für die gediegene Quartett-Musik) – daß sie fast wankelmüthig geworden sind, ob sie nach Aachen gehen werden? – nachdem meine Mittheilung Ihrer Voraussicht zu großer Ermüdung eine ihrer Haupt-Lieblings-Ideen und Wünsche zu zerstören schien, alldort eines Ihrer Doppel-Quartett-Meisterwerke unter Ihrer eigenen genialen Mitwirkung u Leitung auch ein Mahl in wahrer Meisterschaft aufzuführen!4 – wobey sie nebenbey allerdings auch in Betracht ziehen, daß sie auch Sie hinsichtlich der Deckung der Kosten so weiter Reise vorzugsweise auf ein, gleich in dem Programm des Musikfestes mit aufzunehmendes Benefice-Quartett-Concert angewiesen sind; für welches denn Ihre derartig freundlich gezeigte Mitwirkung ihnen den glänzendsten auch pecüniairen Erfolg völlig assecurirt5 haben würde; – worüber sie sich aber, ohne das Hinzukommen eines solchen Extraordinariosissimi Ihrer eigenen Mitwirkung, doch in etwas ungewis fühlen; – um so mehr, als Aachen allein ihnen die weite Reise würde decken müssen; indem der Ablauf ihres Urlaubs nicht zulässt, dann nachher etwas auch in den übrigen Städten der Rhein-Gegend annoch Concerte zu geben; – was ihnen vor 3 Jahren wo das Musikfest früher war,6 sehr zu Hülfe kam. –
So eben heißt es, die Müller seyen fertig mit ihren sonstigen Expeditionen zu dieser Post; – also, – muß ich auch fertig seyn! – Wenn irgend möglich, komme auch ich denn zu obiger Zeit nach Cassel; – wenn nicht etwa eine Ihrer Opern mich noch früher vistirt7
Meine interessanten Gäste wie meine Frau empfehlen sich Ihnen wie Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin mit mir8 auf das angelegentlichste! –
Innigst

Ihr dankbarster Verehrer
CFLueder.

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Müller, Carl (Müller-Quartett 1)
Müller, Georg
Müller, Gustav
Müller, Theodor
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Aachen
Erfurt
Gotha
Göttingen
Kassel
Katlenburg
Erwähnte Institutionen: Niederrheinische Musikfeste <verschiedene Orte>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1840051035

Spohr



Der letzte Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 06.05.1840. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Lueder, 16.05.1840.

[1] „Müller“ über der Zeile eingefügt.

[2]Dependenz, die Abhängigkeit, Unterwürftigkeit“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 140).

[3] Vgl. Vorbrief.

[3a] [Ergänzung 20.05.2022:] Spohr an die Brüder Müller, 12.05.1840 ist derzeit verschollen.

[4] Vgl. Lueder an Spohr, 26.04.1840.

[5]assecuriren, versichern, verbürgen“ (Petri, S. 45).

[6] Hier gestrichen: „ihnen“.

[7]vista, it. Sicht, Ansicht“ (Petri, S. 480).

[8] „mit mir“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.01.2021).