Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Inhaltsangabe: Inhaltsangabe: Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 193

Hamburg, d. 11 April 40

Hochgeehrter Herr Kapellmeister!

Ihren sehr lieben Brief habe ich erhalten & erfolgen hierbei sechzehn Stück Louisdor Honorar für die 3 Sonaten & das Potpourri1 (Violine Anfang h Moll Schluß A dur – die Harfe schließt in B-dur.
[Nbs.]2
Sie verlangten achtzehn Stück Louisdor dafür – aber ich kann augenblicklich nur sechzehn aus der Cassa herausfinden und mit Hamburger Münze durfte ich doch nicht beschwerlich fallen! Was ist da zu machen? – Sie müssen mich für meinen Dekort einstweilen in gutem Andenken & ich hoffe: bei unserm nächsten Verlagsgeschäft wird sich's schon ausgleichen.
Was nun obige Werke betrifft, so fehlt auf den Schallerschen Copieen3, die sonst sehr gut & richtig geschrieben sind, die Opus Angabe. Ich bitte solche mir anzugeben & zwar für jedes Werk eine neue Opuszahl.
Bei der ersten Sonate ist nichts zu moniren, bei der 2ten aber: daß das Rondo bei Peters schon gedruckt4, jedoch beim Vergleich mit meinem den ich ziemlich abweichend gefunden habe,noch abweichender aber das Zauberflöten Potpourri5, welches ausser den Hauptmelodien, fast ganz anders gearbeitet ist. Wenn ich musikalisch richtig denke, so soll das Potpourri (der 3tn Sonate) mit dem vorangehenden Adagio, – das eigentliche Adagio & Rondo der Sonate vertreten – paßt auch ganz herrlich.
Ueber No 4, das für sich bestehende Potpourri, wovon umstehend die Hauptthemas angegeben, dessen ich in meinem letzten Briefe6 ebenfalls anregte, haben Sie nichts Specielleres angeführt, aber ich hoffe, Sie werden dasselbe mit eingerechnet haben.
Meine heutige Bitte ist nun die, mir mit erster umgehender Reitpost, eine specielle Bescheinigung über das Eigenthumsrecht obiger Werke einzusenden, welche den bestehenden Musikverlagsgesetzen nach erforderlich ist, um mich bei etwaigem Nachstechen legitimiren zu können.
Die Sonaten etc. werde ich noch in diesem Jahre herausgeben jedoch nach & nach jede einzeln & sobald der Stich derselben beendigt solche Ihnen sofort zur Correktur senden, die Sie zu übernehmen die Güte haben werden & was unter den obwaltenden Verhältnissen umso nothwendiger ist.
Eine [???] auf [???] (franco Zusendung) versteht sich von selbst.
Nun zum Hauptpuncte: Sie werden nach Hamburg kommen7 und mich beehren? Ach Gott! welches Glück für uns Hamburger! – Unsere beiden besten Zimmer in der Bel Etage werden für Sie & Frau Gemahlin eingerichtet – und – Sie sollen mit uns zufrieden seyn. Ich bin auch sonst musikalisch sämmtlich gut eingerichtet – außer einer Guarnerius Violine finden Sie einen Thalbergschen Flügel8 für Ihre Frau Gemahlin.
Sind Sie aber einmal in Hamburg, so können Sie sogleich nicht wieder fort. Ihre zahlreichen Verehrer werden Sie bestürmen. Es wird heißen: „Concert geben, wir müssen ihn sehen, ihn hören, wir müssen den gefeierten Spohr, den ersten jetzt lebenden Künstler auszeichnen, ihn bewillkommen“ etc. etc.
Und würden Sie böse seyn, wenn ich ein Concert (unter meiner Garantie) für Sie vorbereite (d.h. wenn's gelingt) in welchem Sie „Weihe der Töne selbst dirigiren, darauf vielleicht selbst die Violine zu der Hand nehmen etc. Ich will nicht weiter dringen! Und um nicht weiter mit unbescheidenen Ansprüchen vorzudringen, bemerke ich Ihnen beiläufig: Ihr Quintett für Pianoforte ward hier von Fräulein Unna9 – eine Dilettantin, welche mit den ersten Clavierspielern Thalberg Liszt (ersterer spielte bei mir & der 2te schreibt mir, mich im November besuchen zu wollen) den Kampf besteht – ganz vortrefflich gespielt. – Einlage10 giebt ein kleines Zeugniß mit welcher Liebe & Leidenschaft ich der Kunst obliege.
Mit der Theaterdirection habe ich verabredet: es soll Ihnen zu Ehren: Jessonda aufgeführt werden. Möchten Sie aber die Leitung derselben übernehmen, – vorbereitet soll sie durch Capell. Krebs tüchtig werden – so würde eine musikal. Revolution die Folge seyn, das Haus gestürmt werden etc.
Dies Alles hängt jedoch von Umständen Ihrer Güte, Laune & Lust ab. Zu bekümmern hätten Sie sich um gar Nichts von diesen Angelegenheiten – nur die Zusage daß Sie mir in diesen Punkten nicht hinderlich werden wollen, müßte ich doch zuvor haben, um nicht etwa in Verlegenheit mit dem Publikum zu kommen, wenn Sie sagten: ich bedauere etc.
Daß wir übrigens außerdem Alles aufbieten werden um Ihnen den Aufenthalt hieselbst zu verschönern, dürfen Sie überzeugt seyn von
Ihrem

großen Verehrer
Julius Schuberth



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schuberth. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schubert an Spohr, 04.06.1840.

[1] Fantasie op. 118.

[2] Notenbeispiel am linken Seitenrand eingefügt.

[3] Schuberth hatte die Manuskripte von Johann Nicolaus Schaller erhalten (vgl. Spohr an Schuberth, 25.03.1840).

[4] Das Rondo aus der Sonate op. 115 wurde bei Peters 1821 als op. 51 gedruckt.

[5] Der zweite Satz der Sonate op. 114, der bei Peters 1821 als op. 50 gedruckt wurde.

[6] Spohr an Schuberth, 25.03.1840.

[7] Spohr reiste im Juli 1840 nach Hamburg sowie zu seinen Eltern nach Gandresheim. Vgl. Marianne Spohr, Tagebuch von der Reise nach Gandersheim, Lübeck, Hamburg, Braunschweig Juli 1840.

[8] Vermutlich meint Schuberth hier einen Flügel des Pariser Klavierbaueres Sébastien Érard, wie ihn der Virtuose Sigismund Thalberg bei seinen Konzerten benutzte

[9] Fräulein Unna spielte Spohrs Klavierquintett op. 52 auch noch einmal in seiner Gegenwart in Hamburg (vgl. Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 254).

[10] Nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (16.12.2020).