Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Wohlgeborener,
Hochgeehrtester Herr!
Wahrscheinlich wird Ihnen die Kunde zu Ohren gekommen seyn daß die Oper, sammt dem ganzen Orchester des hiesigen Theaters nach London reist um alldort auf dem St. James Theater (neuerbaut) bis Ende Juli eine ziemlich große Reihe von Opernvorstellungen berühmter deutscher Tondichter zu geben. Ihre Jessonda wird hiernach zu diesem Behuf neu einstudirt und ich nehme mir die Freiheit umzu fragen: ob Sie nicht dagegen sind, daß das Terzett „Auf, laßt die Fahnen etc.“, im 2ten Act1 von Nadori, Lopez und Tristan vorgetragen, mit einem: bis gesungen würde? indem jeder Hörer diese kräftig liebliche Komposition gern zweimal zu hören wünscht. Wenn Sie zustimmen, würde ich zur Wiederholung einen zweiten Text machen und, vorher zu Ihrer Prüfung einsendend, den Singstimmen unterlegen.
Wie bei allen früheren deutschen Opernunternehmungen in London geschehen, wird auch die diesjährige mit Webers Freyschütz eröffnet werden und ich habe dazu ein separates allegorisches Phantasiegemälde (welches hoffentlich mehremal zur Aufführung gelangen wird) vom Stapel laufen. Die Gesangpiece auf Hurka’s „Schiffarth“2 habe ich aus dem Grunde gewählt, weil es eine Lieblingsmelodie von der Königin Victoria Vater, dem Herzog von Kent gewesen seyn soll. So gut ich vermochte habe ich einen canonischen Dreigesang gebildet und glaube dieswegen schon im Voraus Ihrer Nachsicht gewiß zu [???]. Nunmehr trete ich aber mit der Bitte hervor: gefälligst (mein Machwerk(???) schlecht(???) durchnehmen(???) zu wollen) hierzu eine Orchesterbegleitung (mit Harfe und Clarinett-Solo) und am Ende einen Chor zu setzen, damit auf dem Anschlagezettel prangte: als canonischer Hymenäus für eine Bariton- zwei Sopranstimmen, Chor und Instrumentalbegleitung auf eine beliebte deutsche Melodie gestaltet von Louis Spohr. Daß mein Name nur nebenbei als Dichter genannt würde, versteht sich von selbst; finde mich aber veranlaßt noch hinzu zu fügen: daß, aller Wahrscheinlichkeit nach die Harfenbegleitung von Herrn Brandau (vormaliger Inspector des Kurfürstl. Hoftheaters3, welchen ich vor 6 Jahren, 6 Monate in London verweilend, alldort fand) executirt wird. Der von hier mitgehende Clarinettist ist, wie das ganze hiesige Orchester unter des Kapellmeister Ganz Leitung sehr wacker. Ferner erlaube ich mir meine auf beifolgendem Musikblatte enthaltene schwache Dichtung mit allen Bemerkungen, bessere Verständlichkeit wegen in Abschrift beizulegen. Eben bin ich4 daran meine nicht uninteressante Biographie (im Schilling’schen Lexicon der gesammten musikalischen Wissenschaft äußerst mangelhaft und unrichtig abgezeichnet)5 zu Tage zu fördern und bin schon bis zu meiner ersten Anwesenheit in Breslau (nachdem von Wien ich abgegangen) vorgerückt; daß ich hierzu auch eine Auswahl meiner Lieder heraus geben werde, ist schon in der Zeitschrift „Europa“ angekündigt.6
Schließlich muß ich noch bemerken: daß das hiesige Opern und Orchesterpersonale vom 8ten kommenden Monates Aprill von hier abreiset um am 15ten oder 16ten die Vorstellungen in London beginnen zu können und da hier, der billigen Copiatur wegen, alle mitgehende Musik geschrieben werden soll, so sehr ich ich hinsichts dieser und der zweiten Strophe zu Ihrem Terzett einer gütigen und sehr baldigen Antwort sehnsuchtsvoll entgegen und habe die Ehre mit größter Hochachtung zu verbleiben
Ew Wohlgeboren
ganz ergebenster
JWEhlers Pro-
fessor der Gesanglehre.
Unter dieser Adresse
kommt jeder Brief mir
schnell und sicher zu.
Mainz den 3ten März
1840.
Autor(en): | Ehlers, Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Brandau, Friedrich Ganz, Adolph |
Erwähnte Kompositionen: | Hurka, Friedrich Franz : Die Schifffahrt Spohr, Louis : Jessonda |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | Nationaltheater <Mainz> St. James Theatre <London> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1840030346 |
Das letzte erhaltene Schriftstück dieser Korrespondenz ist ein Zeugnis von Spohr für Ehlers, 12.03.1830. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Ehlers an Spohr, 12.03.1840.
[1] Im Folgebrief korrigiert Ehlers, dass das Terzett im 3ten Akt sei.
[2] Sic!
[3] Zu Brandaus Abgang aus Kassel vgl. „Steckbrief“, in: Allgemeiner Anzeiger und Nationalzeitung der Deutschen (1831), Sp. 453f.
[4] „ich“ über der Zeile eingefügt.
[5] „Ehlers, Wilhelm“, in: Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, hrsg. v. Gustav Schilling, Bd. 2, Stuttgart 1840, S. 559f.
[6] Vgl. „[Der bekannte Sänger und Gesanglehrer]“, in: Europa 2 (1839), S. 476f.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.11.2024)