Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg am 8ten Januar 1840.

Nicht leicht, mein innigst verehrtester Freund und Gönner! hätte uns eine größere Freude werden können, als der Empfang Ihres so höchst interessanten ausführlichen lieben Schreibens vom 6ten d.M. Gestern sie uns brachte! – indem wir daraus nicht allein die Bestätigung entnahmen, daß die interessante Reise1 auch Sie Selbst eben so sehr contentirt2 hat, als die geistreichen Insulaner nach dem Mittheilungen ihrer angesehensten Journale von Ihren Meisterwerken und hohen Kunstfertigkeit ergötzt worden waren, – sondern wir nun auch wissen, wie uns, angeregt durch diese Reise, der hohe Genuß eines neuen Oratorii3 von Ihrer genialen Meisterschaft zu Theil werden wird!! – und wie Sie in diesem Augenblicke den stillen aber gewis sehr hohen Freuden dieses genialen Schaffens eines so großen Werkes sich ganz hingegeben haben! – Ein geistiger Genuß, den ich mir noch ungleich höher denke, als den des Dichters! – weil diese Ton-Dichtungen ohne Zweyfel eine ungleich schwierigere Aufgabe darbieten und einen noch ungleich höheren Sprung der Fantasie und größern Thätigkeit der Imagination anregen und voraussetzen, als stets der große Dichter sich daran zu erfreuen hat und bedarf! –
Ich wüßte nicht, wen auch der Welt ich glücklicher preisen mögte, als einen großen Ton-Dichter in Ihrem Grade!! –
Erhalte Ihnen ein freundliches Geschick diesen hohen Genuß noch lange Jahre! – wie der dankbaren Mit- und Nach-Welt den unberechenbaren Gewinn Ihrer genialen Schöpfungen! –
Die „Weihe der Töne“ kenne ich nocht nicht, u war schon lange zum höchsten gespannt darauf! – ich meine, der leider so früh verklärte Bruder4 Ihrer theuren Frau Gemahlin hat eine Dichtung dazu oder darüber geschrieben? – Könnten Sie mir solche im voraus mittheilen, oder nachweisen, wo ich sie finde: so würde das den Genuß noch erhöhen, und ich das mir vielleicht zu solcher Präparation anvertraute Gut demnächst dankbar zurückliefern. –
Daß nicht das nächste Concert auf diese Weise ausgestaltet ist, trifft für uns insofern sich glücklich, als ich in dieser nächsten Zeit diese Kunst-Wallfahrt doch nicht würde haben möglich können. – Zugleich erlaube ich mir dabey zu bemerken, daß ich in der letzten Woche dieses und ersten Woche künftigen Monathes in Veranlaßung der Pferde-Messe zu Braunschweig, – (die ich würklich niemahls versäumen darf bey einer sich immer mehr ausgedehnt habenden Pferde-Züchtung) – daselbst werde seyn müssen. – Könnten Sie mir gelegentlich nur ungefähr die Epoche oder den Monath bestimmen, in welchem solches 4te u letzte Concert dort muthmaßlich statt finden wird: so würde mir dadurch vielleicht noch mehr erleichtert, weil für den eintretenden Fall als5 bereit, d.h. disponibel zu halten.
Da wir eben wieder ein paar Schweinchen geschlachtet haben: so kann meine Frau der Verführung nicht wieder stehen, davon beygehend wieder ein Pröbchen zu präsentieren, begleitet von Ihrem herzlichsten Grüßen u besten Wünschen für Sie und Ihre so innig verehrten theuren Frau Gemahlin, der auch ich meine eherbiethigsten Huldigungen zu Füßen zu legen bitte!
Wird’s Ihnen der Wurst zu viel: so theilen Sie vielleicht wieder eine Leber- u eine Weis-Wurst der Frau von Malsburg Excellenz mit unseren angelegentlichsten Empfehlungen u vor allem den herzlichen theilnehmendsten Wünsche mit, daß Herr von Malsburg doch recht bald die also abermahls so leidenvoll gewesenen Winter-Attaque nun völlig mögte überstanden haben! – u in d. M.6 auch auf die Jagd pp gehen kann!
Auf die nochmahliche Aufführung Ihres herrlichen Oratorii7 am Char-Freytage freuen wir uns im Voraus recht sehr! – und daß Ihre historische Symphonie von der berühmten Londoner Philharmonischen Gesellschaft auf ein Jahr ist in Beschlag genommen worden, erfreut8 in dem Gedanken, daß auch das Ihnen gerechte Freude machte, mich ebenfalls mit Ihnen! so gespannt ich auch bin, solche zu hören! – sie soll uns nach Jahresfrist darum nicht minder begeistern u entzünden! –
So innig als unwandelbar

Ihr
wamer Verehrer
CFLueder.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Lüder, 06.01.1840. Spohrs Antwortbrief vom 13.02.1840 ist derzeit verschollen.

[1] Hier ein Wort gestrichen.

[2]contentiren, befriedigen, bezahlen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 112).

[3] Der Fall Babylons.

[4] Carl Pfeiffer.

[5] Hier gestrichen: „denn(?)“.

[6] „in d. M.“ über der Zeile eingefügt.

[7] Des Heilands letzte Stunden.

[8] Hier gestrichen: „mich“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.09.2020).