Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Taylor, E.:68

Dr. Louis Spohr
Hesse Cassel
Germany


Mein hochverehrter Freund!

Ich habe vielleicht zu lange gezögert, Ihren lieben Brief der mir die Nachricht von der glücklichen Ankunft unserer theuren Gäste in deren Heimath überbrachte, zu beantworten. Unsere Briefe begegneten sich unterwegs, und ich hielt es für möglich, Sie möchten den Wunsch haben, mir recht bald Ihre Meinung in Betreff des „Falles von Babylon” zukommen zu lassen, weshalb ich mit dem Schreiben zauderte. Ich will indeß das Vergnügen nicht länger aufschieben, Ihnen, mein bester Freund, den Empfang Ihres Briefes zu melden, und Ihnen zu gleicher Zeit meinen herzlichsten Dank für die gütige Aufmerksamkeit auszusprechen, die Sie meinem Auftrage schenkten.
Folgende Werke würde ich vor allen mich freuen zu besitzen: No. 1. Kiesewetter, Verhandlungen über die Frage: etc.1No. 2. Geschichte der Europäisch-Abendländisch oder unserer heutigen Musik,2No. 3 Fr. Stöpel, Grundzüge der Geschichte der modernen Musik3, – No. 4 Winterfeld, Joh. Gabrieli u sein Zeitalter4No. 6 Becker Systematisch-Chronologische Darstellung der musik. Literatur etc.5 No. 7 Becker, zur Geschichte der Hausmusik6No. 8 Forkel, Geschichte der Musik in 2 Bü.7No. 9 Rochlitz, Sammlung etc.8No. 10 Rochlitz, für Freunde der Tonkunst 4 oder 5 Bände etc.9 – –
„Baini’s: Ueber das Leben Palestrina’s”10 – verschaffte ich mir von Rom. – Der beste Weg wird sein, diese Bücher durch irgend einen Musikhändler in Bonn oder Leipzig zu übersenden, indem Sie ihn bitten, das Paket an einen seiner Londoner Korrespondenten zu adressiren. Zu solchen, welche, wie ich, keine Geschäfte mit dem Continent haben, verursacht die Sendung von Gütern zur See stets viel Mühe und bedeutende Unkonsten, da hingegen bei denen, welche mit dem Ausland in Verbindung stehen, (wie Boosey, Cox oder Wessel) Sendungen von Büchern oder Musikalien wöchentlich ankommen, und deshalb diesen fast gar keine Beschwerlichkeiten verursachen. Erlauben Sie mir nur hinzuzfügen, daß ich die Bücher keineswegs sogleich bedarf.
Seit ich an Sie schrieb, war ich in Norwich, um die Geschäfte in Bezug auf das Musikfest zu beendigen. Es wird Sie freuen, zu hören, daß, nachdem alle Ausgaben berichtigt waren, 1300 £ zurückblieben. Von diesem Geld ward Etwas für die erforderlichen Vorbereitungen für das nächste Fest – 1842 – zurückgelegt; der größere Theil indessen ward unter die Hospitäler vertheilt, unter die Anstalten für Blinde u.s.w. in Norfolk, welche gänzlich von freiwilligen Beiträgen leben und abhängen. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß ein solcher Erfolg für Alle eine Quelle der reinsten Freude war – die allgemeine Meinung der Erfahrensten und Fähigsten entscheidet dahin, es ei dies das beste Musikfest gewesen, desse sie sich je erinnern, in England beigewohnt zu haben. Daß meine Freunde in Norwich Ihrer Gegenwart, mein bester Freund, so wie Ihrem mächtigen Beistande den größten Theil des Erfolges zuschreiben, ist nur Gerechtigkeit. – Während ich in Norwich war, speiseten sämmtliche Mitglieder des Chor-Vereins mit einander (Sie müssen nämlich wissen, daß man in England nichts ohne ein Mittagessen unternimmt) nebst der Mitglieder der Comittée des Musikfestes: E. Wodehouse, ein Parlamentmitglied war der Vorsitzer. Ihre Gesundheit, mein geehrter Freund, ward natürlicher Weise mit größerm Beifalle aufgenommen, als man sie ausbrachte. Mir war die Ehre in Ihrem Namen zu danken, und als ich es wagte, auf die Hoffnung, Sie einst wieder in Norwich zu sehen, hinzudeuten, erfolgte ein allgemeines Ausruf der Freude.
Die Committee für das nächste Fest ist gewählt, und mich hat man ersucht, als Führer desselben die nöthigen Vorbereitungen zu beginnen.
Ich erkundigte mich auf Ihren Wunsch nach den Gebrüdern Soloman und deren Erfindung.11 Ein kleiner Tubus wird in das Ohr gesteckt, der nicht über dasselbe hervorragt. Der Preis für zwei solcher Röhren (eine für jedes Ohr) ist 2 £ 13 Shill. – Der Bericht indeß, den man mir hierüber giebt, läßt mich vermuthen, diese Erfinder sind nichts weiter denn zwei Jüdische Charlatans. Sie haben, liebster Freund, ohne Zweifel, verschiedene Erfindungen als Hülfsmittel für Taube. Dasjenige, welches am häufigsten angewandt wird, und welches man allgemein für das beste hält, ist ein biegsamer Tubus, gleich einer Schnecke, mit einer elfenbeinernen Glocke (fast wie die an einem Clarinett) am Ende.12 Diese verfertigt ein Deutscher Namens Weiß, und der Preis derselben ist ungefähr 2 £. Am rathsamsten jedoch ist, kein Instrument zu kaufen, ohne es vorher versucht zu haben, da oft dasjenige, welches für eine ganz taube Person von großem Nutzen ist einer minder tauben eher nachtheilig wird.
Meine Frau, deren Gesundheit wie gewöhnlich ist, mein Sohn und meine Töchter grüßen auf’s Herzlichste Sie, Ihre Frau Gemahlin und Frau von Malsburg. – Mit der höchsten Hochachtung empfiehlt sich

Ihr aufrichtiger Freund
Edw. Taylor


Je vous serois bien obligée si vous voulez avoir la bonté de faire mes compliments à Madame de Malsburg, et de lui dire mille remercimens pour la charmante lettre que nous venoux de reçevoir de la part, et qui nous a fait beaucoup de plaisir.

Margaret Taylor
7 Novembre 1839.

Autor(en): Taylor, Edward
Taylor, Margaret
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Malsburg, Caroline von der
Solomons, Benjamin
Solomons, Samuel
Weiss (London)
Wodehouse, Edmond
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Fall Babylons
Erwähnte Orte: Norwich
Erwähnte Institutionen: Boosey <London>
Cox <London>
Norfolk and Norwich Triennial Festival
Wessel & Stapleton <London>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1839110734

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Taylor. Spohrs Antwortbrief vom 02.12.1839 ist derzeit ebenfalls verschollen.
Den deutschen Text dieses Briefs schrieb Taylors spätere Schwiegertochter Meta geb. Dochow (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[1] Raphael Georg Kiesewetter, „Die Verdienste der Niederländer um die Tonkunst. In Beantwortung der von der Vierten Klasse des Königlichen Niederländischen Instituts, im Jahre 1826 ausgeschriebenen Frage: [...], in: Verhandelingen over de Vraag: welke Verdiensten hebben zich de Nederlanders vooral in de 14e, 15e en 16e eeuw in het vak der Toonkunst verworven; en in hor verre kunnen de Nederlandsche Kunstenaars van dien Tijd, die zich naar Italien begeven hebben, invlord gehad hebben op de musijkscholen, die zich lrt daarna in Italien hebben gevornd?, Amsterdam 1829, S. 1-119.

[2] Ders., Geschichte der europäisch-abendländischen oder unsrer heutigen Musik. Darstellung ihres ursprunges, ihres Wachsthumes und ihrer stufenweisen Entwickelung; Von dem ersten Jahrhundert des Christenthumes bis auf unsre Zeit, Leipzig 1834.

[3] Franz Stoepel, Grundzüge der Geschichte der modernen Musik, Berlin 1821.

[4] C[arl] von Winterfeld, Johannes Gabrieli und sein Zeitalter. Zur Geschichte der Blüthe heiligen Gesanges im sechzehnten, und der ersten Entwickelung der Hauptformen unserer heutigen Tonkunst in diesem und dem folgenden Jahrhunderte, zumal in der Venedischen Tonschule, Berlin 1834, Bd. 1 und Bd. 2.

[5] Carl Ferdinand Becker, Systematisch-chronologische Darstellung der musikalischen Literatur von der frühesten bis auf die neueste Zeit, Leipzig 1836.

[6] Ders., Die Hausmusik in Deutschland in dem 16., 17. und 18. Jahrhunderte. Materialien zu einer Geschichte derselben, nebst einer Reihe Vocal- und Instrumental-Compositionen H. Isaac, L. Senfl, L. Lemlin, W. Heintz, H.L. Hassler, J.H. Schein, H. Albert u. A. zur näheren Erläuterung, Leipzig 1840.

[7] Johann Nicolaus Forkel, Allgemeine Geschichte der Musik, Bd. 1, Leipzig 1788, Bd. 2, Leipzig 1801.

[8] Sammlung vorzüglicher Gesangstücke der anerkannt-grössten zugleich für die Geschichte der Tonkunst wichtigsten die eigene höhere Ausbildung für diese Kunst und en würdigsten Genuss an derselben fördernsten Meister der für Musik entscheidensten Nationen, hrsg. v. F[riedrich] Rochlitz, Bd. 1, Mainz u.a. [1839].

[9] Friedrich Rochlitz, Für Freunde der Tonkunst, Bd. 1, Leipzig 1824 (2. Aufl. 1830), Bd. 2, 1825 (2. Aufl. 1830), Bd. 3, 1830, Bd. 4, 1832.

[10] Franz Sales Kandler, Ueber das Leben und die Werke des G. Pierluigi da Palestrina genannt der Fürst der Musik, Sängers, dann Tonsetzters der päpstlichen Kapelle, auch Kapellmeisters an den drei Haptkirchen Roms. Nach den Memorie storico-critiche des Abbate Giuseppe Baini [...] verfasst und mit historisch-kritischen Zusätzen begleitet, hrsg. v. R[aphael] G[eorg] Kiesewetter, Leipzig 1834.

[11] Vermutlich bezog sich Spohr auf die Mitteilung: „Die HH. S. und B. Salomons haben einen Stimmleiter, (Voice Conductor), der kaum die Größe eines Ducaten hat, für Harthörige erfunden“ (in: Allgemeiner musikalischer Anzeiger 11 (1839), S. 168; etwas ausführlicher in: „London“, in: Ost und West 3 (1839), S. 260; „Invisible Newly-invented Operative Voice Conductor“, in: Spectator 12 (1839), S. 450). Möglicherweise ähnelte der Voice Conductor einem Ohreinsatz (vgl. http://www.hearingaidmuseum.com/gallery/Non-Electric/EarInserts/info/pinnainsertsmall.htm).

[12] Taylors Beschreibung nach vermutlich ein Hörrohr (vgl. http://www.hearingaidmuseum.com/gallery/Non-Electric/ConversationTubes/info/HardRubberConversationTube.htm).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.12.2018).