Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Kleinwächter,L.:23


Prag.

Dem wohlgebornen
Herrn Dr Louis Spohr.
Doktor der Tonkunst, chur-
fürstl. hessischer Hofkapellmeister
&. &. &.
Cassel.

frei Gränze.


Niemirzitz den 22t Aug.
1839.

Innigst verehrter Herr!

Vergeben Sie, wenn ich Sie unmittelbar vor Ihrer Abreise, die nun wohl schon sehr nahe ist, mit einem Schreiben belästige; allein es betrifft die Angelegenheit meines Freundes, die mir wie eine eigene am Herzen liegt. Kittl naemlich wünscht sehr, eine seiner Sinfonien in Leipzig zu Aufführung zu bringen, und bittet daher um Ihre gütige Verwendung durch einen Brief an Mendelssohn.1 Im Vertrauen auf Ihre Güte und Humanität habe ich Kittl‘n selbst den Muth gemacht, darum an Sie zu schreiben; da ich aber nicht weisz, ob und wann Ihnen der Brief, der durch einen Privaten gieng, zu Handen kommt, so hielt ich es nicht für überflüszig, mich selbst in dieser Sache an Sie zu wenden. Zur Empfehlung meines Freundes nur ein Wort zu verlieren, wäre Ihnen gegenüber der Sie seine Arbeiten kennen, bare Unbescheidenheit, darum nur die herzlichste Bitte, ihm auch einen Theil Ihres liebevoll-gütigen Schutzes angedeihen lassen zu wollen, den ich schon umso vollen Masze erfahren. Sie werden mich unendlich verbinden, wenn Sie meine Bitte zu gewähren die Güte haben. Nur erlaube ich mir noch die Bemerkung, dasz für den Fall, als Sie in meiner Bitte eingehen, es wohl nicht lange Zeit hätte an Mendelssohn zu schreiben2, indem der definitive Vorschlag hier die Abonnement-Concerte in Leipzig meines Wissens sehr lange vorher fertig sein musz.
Nun, nochmals um Vergebung meines Belästigens! Leben Sie sehr wohl, reisen Sie höchst angenehm und glücklich, und empfangen Sie auch über dem Canal die gemachte Huldigung der stolzen Angabe zur eignen Freude und zur Ehre Teutschlands!
Sollten Sie mich mit einer Antwort erfreuen, so bitte ich, dieselbe nach Prag zu stylisiren3(?), wohin4 ich nach meinem gegenwärgien Landaufenthalte nächstens zurückkehre.
Meine Motette ist bei Breitkopf in Partitur erschienen. Bei Ihrer Heimkehr von England werde ich Ihnen einen Abdruck davon, so wie eine Abschrift meines zweiten Quartetts für Streichinstrumente zu übersenden mir die Freiheit nehmen.
Unter den herzlichsten, innigsten Grüszen von uns Allen

mit aller Liebe und Ergebenheit
Ihr
Louis Kleinwächter

Autor(en): Kleinwächter, Louis
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Kittl, Johann Friedrich
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Kompositionen: Kleinwächter, Louis : Motetten, g-moll
Kleinwächter, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, Nr. 2
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Breitkopf & Härtel <Leipzig>
Gewandhausorchester <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1839082231

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kleinwächter an Spohr, 12.07.1839. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kleinwächter an Spohr, 28.11.1839.

[1] Vgl. Johann Friedrich Kittl an Louis Spohr, 20.07.1839.

[2] „an Mendelssohn zu schreiben“ über der Zeile eingefügt.

[3] „stylisiren“ = „abfassen, vortragen, ausdrücken (mit Worten)“ (Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter, entstellenden fremden Ausdrücke zu deren Verstehen und Vermeiden, hrsg. v. Friedrich Erdmann Petri, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 440).

[4] Hier zwei Buchstaben gestrichen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.05.2019).