Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Kleinwächter,L.:22
Prag den 12t Juli
1839.
Hochverehrter Herr!
Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen beiliegend eines der eben erschienenen Exemplare meiner Lieder Op. 3, so wie das Arrangement meiner Ouverture zu übersenden. Die Lieder werden Ihnen unbekannt sein, ich bin daher sehr begierig auf Ihr Urtheil darüber welches Sie mir bei Musze mitzutheilen gewisz so gütig sein werden. Ich schrieb diese Lieder bereits vor mehren Jahren und habe sie aus meinem Manuscripten Vorrathe itzt nur zur Herausgabe durchgesehen und zusammen gestellt. Dasz H. Happ schon abgeschloszen, thut mir Leid, da ich bei meiner Ansicht der Sache stehen bleieben musz; indesz seien Sie versichert, dasz er bei uns im Hause mit aller Liebe und Freundschaft empfangen sein soll, und dasz ich Alles aufbieten will, ihm nützlich zu werden.
Madame Birnbaum ist nach einem sehr kurzen Aufenthalte wieder von hier fortgereist1, ich konnte ihr gar Nichts nützen, da sie erst am letzten Tage ihres Hierseins bei uns war, und mir Ihr freundliches Schreiben abgab. Sollte sie, wie sie hofft, im August herkommen können, so werde ich vielleicht mehr Gelegenheit haben, ihr zu Dienst zu stehen. Vorläufig danke ich Ihnen für das Vergnügen, mir eine liebenswürdige Dame, und noch dazu als persönliche Zeugin über Ihr und Ihrer verehrten Gemahlin Wohsein zugesandt zu haben.
Neues von Interesse weisz ich nicht zu berichten, Eines abgerechnet, was aber nichts Angenehmes ist. Prf. Hüttner, am Conservatorio Lehrer des Violoncells, ist vor Kurzem gestorben, und mit ihm der letzte auch mir erträgliche Cellist verschieden; wir liegen jetzt in dieser Beziehung ganz auf, und stehen erst in Erwartung der Dinge die da kommen sollen. Besonderes können wir bei der spotthaften Bezahlung der Lehrer am Conservatorium nicht erwarten.
Dasz Sie bestimmt nach England gehen, ist mir um Teutschlands Ehre Willen höchst angenehm und erfreulich; ich werde mit Sehnsucht den Nachrichten darüber nach Ihrer Rückkunft entgegen sehen. Sollten Sie vor Ihrer Abreise noch Zeit gewinnen, mir einige Zeilen zu schreiben, so würde es mich sehr freuen, einige Details über den Reiseplan zu erfahren, um Sie – wenigstens im Geiste – begleiten zu können.
Unser Musikzustand ist noch immer der alte höchst mittelmäszige, im Theater ist fast gar Nichts vernünftiges zu hören; gut, dasz es Sommer ist, zu welcher Zeit man noch am Leichtesten den entbehrten2 Kunstgenusz verschmerzt. Den Brief von Prof. Marx3, den ich schon so lange bei mir habe, lege ich mit Dank der Rolle bei, bis itzt habe ich immer darauf vergessen.
Wir sind hier Alle wohl, und hoffen ein Gleiches von Ihnen.
Unter den herzlichsten Empfehlungen an Sie, und Ihre verehrte Gemahlin
mit aller Liebe und Innigkeit
ergeben Ihr unveränder-
licher Freund
Louis Kleinwächter
Autor(en): | Kleinwächter, Louis |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Birnbaum, Marie Happ, Wilhelm Hüttner, Johann Nepomuk Marx, Adolph Berhard |
Erwähnte Kompositionen: | Kleinwächter, Louis : Lieder, op. 3 Kleinwächter, Louis : Ouvertüren, op. 1 |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | Konservatorium <Prag> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1839071231 |
Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Kleinwächter. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kleinwächter an Spohr, 22.08.1839.
[1] Offensichtlich gab sie anschließend in Karlsbad ein paar Gastvorstellungen (vgl. „Karlsbad, 26. Juli“, in: Bohemia 23.07.1839, nicht paginiert).
[2] „entbehrten“ über der Zeile eingefügt.
[3] Adolph Bernhard Marx an Spohr, 09.09.1837; vgl. den derzeit verschollenen Brief Spohr an Kleinwächter, 01.10.1839.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.04.2019).