Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Taylor, E.:7

Dr. Louis Spohr
Hesse-Casel
(Germany)


Hochgeehrtester Herr und Freund,

Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, daß Ihr sehr willkommenes Schreiben vom 6t Mai mir durch die Gewißheit, Sie beim Norwicher Musikfeste zu sehen, die herzlichste Freude verursachte. Ich habe mit der Antwort Ihres Briefes gezögert, weil ich noch einmal in Norwich war, um Ihnen Umständlicheres und Gewisseres mittheilen zu können.
Der Bürgermeister1 empfiehlt sich Ihnen auf’s Freundlichste, und bittet mich, Ihnen die Versicherung zu geben, daß er mit dem größten Vergnügen von Ihrer Absicht hört, Ihre Frau Gemahlin mitzubringen, und daß es für ihn eine doppelte Ehre sein wird, Sie beide in seinem Hause empfangen zu können. Meine Frau2 und Tochter3 werden eben so erfreut darüber sein, wie ich es bin.
Ich werde dafür Sorge tragen, Ihrem Wunsche gemäß zu arrangiren, daß Sie am demselben Tage, an dem Ihr Oratorium aufgeführt wird, kein Concerto spielen. Würden Sie sich weigern, an einem der andern Abende ein Concerto vorzutragen?
Die Englischen Sänger sind noch nicht alle engagirt, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß es folgende sein werden: Madame Bishop (die Frau unseres berühmten Componisten) – Miß Birch – Mr. Hobbs, - Mr. Balfe und Mr. Phillips. - Signor Persiani und Signor Tamburini sind engagirt, um in den Abend-Concerten zu singen, weil sie nicht im Stande sind, solche Musik zu singen, zu denen Englische Worte geschrieben sind.
François Cramer dirigirt – Lindley hat das erste Violoncello – und die Blasinstrumente sind meistentheils die von der Philharmonic. Blagrove ist einer unserer Violinisten. Ich denke, Sie, geehrter Freund, werden finden, daß das ganze Orchester aus guten Spielern besteht. Mein vortrefflicher Freund, Mr. Turle, Organist an der Westminster Abtey, wird die Orgel spielen.
Es ist Sitte bei allen Englischen Festen, daß man die Morgen Concert immer in drei Acte eintheilt. Der Messias besteht aus drei Akten und bildet deshalb für sich allein ein Concert. Israel in Aegypten hat nur zwei Akte, und deshalb wird ein dritter gemischter Akt, bestehend aus Purcell’s Jubiläum und anderen kurzen Musikstücken, hinzugefügt. Da Ihr Oratorium, geehrtester Freund, zwei Akte hat, so wird es nothwendig sein, den übrigen Theil des Morgen-Concertes mit anderen Compositionen auszufüllen, und da die Norwicher Committee immer sehr Sorge trägt, Mozart’s Compositionen aufzuführen, so wird der dritte Akt dieses Morgen-Concertes hauptsächlich aus dem Requiem genommen, zu welchem ich die Worte in’s Englische übertragen habe. Ich wage zu denken, daß sich diese Wahl besser für den Schluß des Concertes eignet, als wenn ich die Händelschen Oratorien dazu benutzt hätte, weil sich alle (mit Ausnahme des Messias) auf Gegenstände des Alten Testamentes beziehen.
Die Dampfbote verlassen Rotterdam jeden Mittwoch und Sonnabend, und legen den Weg bis London gewöhnlich in 24 Stunden zurück. Lord Melbourne’s4 Secretair5 hat mir den Schein für die zollfreie Einführung Ihrer Violine und Ihrer Musik verprochen. Es wird mir ein große Vergnügen sein, wenn ich es möglich machen kann, Ihnen am Landungsplatze zu begegnen, – leider aber muß ich eine volle Woche vor dem Beginn des Feste in Norwich sein, um die nothwendigen Vorbereitungen zu treffen. Sollte ich London verlassen, ehe Sie, geehrtester Freund, hier angekommen sind, so wird mein Sohn6, (den Sie sich vielleicht erinnern, in Düsseldorf7 auf einige Minuten gesehen zu haben) die Ehre haben, Sie zu empfangen, und nebst Ihrer Frau Gemahlin, nach meinem Hause zu begleiten. Er spricht Französisch und etwas Deutsch.

Credetemi, Caro Amico – sempre
il suo devotissimo Servitor
Edward Taylor

3 Regent Square
London
May 31. 1839



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Taylor, 06.05.1839. Spohrs Antwortbrief vom 13.08.1839 ist derzeit ebenfalls verschollen.
Den deutschen Text dieses Briefs schrieb Taylors spätere Schwiegertochter Meta geb. Dochow (vgl. Taylor an Spohr, 03.11.1840).

[1] John Marshall.

[2] Deobrah Taylor.

[3] Margaret Taylor.

[4] Der amtierende Premierminister.

[5] Noch nicht ermittelt.

[6] John Edward Taylor.

[7] Offensichtlich begegneten sich Spohr und Taylor erstmals 1836 in Düsseldorf (vgl. Taylor an Spohr, 14.04.1836), vermutlich bei Felix Mendelssohn Bartholdy (vgl. Lea Mendelssohn Bartholdy, Rebecka Lejeune Dirichlet und Felix Mendelssohn Bartholdy an Fanny und Sebastian Hensel, 22.06.1835, in: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 4, hrsg. v. Lucian Schiewietz und Sebastian Schmideler, Kassel u.a. 2011, S. 250ff., hier Lea Mendelssohn Bartholdy, S. 251; Thomas Damant Eaton, „The Late Professor Taylor“, in: ders., Musical Criticism and Biography, London 1872, S. 210-255, hier S. 242).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.12.2018).