Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochverehrter Lehrer und Freund!

Längst schon lag es mir ob Ihnen zu schreiben und zwar haptsächlich um Sie im Namen des Salzburger-Mozart-Committes zu bitten, ob Sie nicht so geneigt sein möchten bei dem projectirten Musikfeste, welches bei Enthüllung des Mozart-Denkmals in S. statt haben soll die Direction des Musikfestes mit mir zu übernehmen. Wir beabsichtigen nämlich zwei Concerte an zwei nacheinander folgenden Tagen, und zwar an einem Tage die Aufführung des Requiem‘s und am andern Tage ein Kammerconcert worin unter andern die große C. Dur Simphonie mit Fuge und sonstige Gesangs- und Instrumental-Compositionen Mozart‘s, welche übrigen nicht noch zu wählen und zu bestimmen sind, und wobei ich auf Ihren gütigen Rath und Beistand besonders rechne, aufzuführen.
Welches von beiden Concerten, ob das Requiem oder das Kammerconcert Sie, mein theurer Lehrer zu dirigiren wünschten, das stelle ich Ihrer gütigen Bestimmung wie natürlich völlig anheim, da ich das andre dirigiren soll. Außerdem so soll bei der Enthüllung des Denkmals ein großer festlicher Chor von Mozart gesungen worden, zu welchem der Herr Oberhofmeister von Miltiz in Dresden einen der Feierlichkeit angemessenen Text zu dichten sich bereit erklärt hat und nach Enthüllung des Denkmals das Östereichische Volkslied „Gott erhalte den Kaiser“ von Haydn gesungen werde. Bislang konnte ich unter Mozart‘s Werken keinen recht1 passenden Chor dazu auffinden, vor Allem aber wünschte ich, daß Sie sich mit der Wahl dieser Musikstücke belasten möchten, oder mir wenigstens Ihre Rathschläge dazu gütigst mittheilten.
Zur Mitwirkung des Festes wünschte ich ein möglichst großes Orchester zusammen zu bringen, indeß würde wohl die Zahl der Mitwirkenden2 von dem noch zu gewinnenden Fond hierfür abhängen, obschon man von dem Ertrage der beiden Concerte sicherlich ein Erkleckliches erwarten darf. Auf Honorar würde ja ohnehin kein Musiker anspruch machen, aber wohl auf eine angemessene Reisevergütung und seinem Aufenthalte in Salzurg, wozu auch schon Vorkehrungen und Einleitungen getroffen worden sind. Ueber das Jahr in welchem solches statt haben soll, konnten wir noch nichts Genaues bestimmen, weil wir noch vielen Beiträgen entgegen sehen und bedürfen; nicht dürfen wir wohl auf 1841 spätestens 1842 damit zu Stande zu kommen hoffen. Vorläufig möchte es daher wohl im Interesse der Sache liegen, daß der ganze Plan noch möglichst geheim gehalten werde, weil sonst mache Städte, wenn sie davon hörten, wähnen möchten, als sey schon Alles der Vollendung nahe, und ihr Beitrag überflüssig. –
Sehr wünschen und bitten muß ich Sie jedoch, mich doch recht bald mit einer Antwort zu beehren, ob Sie geneigt sind meinen Antrag anzunehmen, damit ich solches nach Salzburg berichten kann. Was das Orchester anlangt so müssen wir wohl von München und Stuttgart die größere Zahl erwarten.
Kleinwächter‘s3 welchen ich den Plan mittheilte gedenken auch sZ4 nach Salzburg zu kommen. –
Zuerst führte ich nach 7. Orchester-Proben Ihre „Weihe der Töne“ auf, und darf versichern die Auffassung5 des großen Meisters und des göttlichen Werkes würdig. – Wie vielen Dank ist Ihnen die Welt für diese Schöpfung schuldig?!!! Ich hegte die Absicht Ihre Büste bei der Aufführung aufzustellen, aber nirgend war sie anzufinnden, obschon ich mich nach verschiedenen Orten wandte.
Angenehm überrascht hat mich die Nachricht, daß Sie nach England zum Musikfest gehen. Ich wünschte Sie begleiten zu können und etwas unter Ihrer Leitung anzuführen.
Am Himmelfahrts-Tag führte der h.6 Singverein Mendelssohn’s Paulus auf.7 Zwar war ich nach der Aufführung troz der vielen Proben nicht zufrieden, aber eben so wenig mit der Auffassung des Paulus, wie überhaupft mit der ganzen Richtung die er darin genommen; obschon manche ernstliche Sachen darin vorkommen; aber es ist nunmal keine christliche Musik, am wenigsten nun solche die man Paulus nennen(?) dächte(?). Ich meine wenn M. ein so guter Christ wäre als er Jude ist, so würde die Musik meinen Erwartungen entsprochen haben. Ich werde mich allerdings recht hüten diese meine Meinung zu veröffentlichen, denn sonst hätte man die ganze Klicke der Davidsbündler am Halse. Ich bin aber nicht der Einzige der so urtheilt, sondern alle meine Bekannten dahie, die von Musik etwas verstehen. Können Sie mich über meine Ansicht berichtigen, so werden Sie mich sehr verbinden. Gerne hörte ich Ihre Meinung darüber, ja ich bitte sogar inständigst darum. – Ihre Präsidentschaft des D. N. Vereins f. Musik etc. hat mich wahrhaft erfreut und mich mit neuer Hoffnung für Wahrheit und Licht belebt. – Die Ehre zum Mitglied ernannt zu sein, habe ich dankbar anerkannt.8 – Meine Frau empfiehlt sich Ihnen bestens. –
Mit aufrichtiger tiefer Verehrung Ihr getreuster
und ganz dankbarer Schüler
August Pott.

Oldenburg, am 19. May
1839.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Pott an Spohr, 23.11.1835. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] „recht“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier gestrichen: „auf“.

[3] „wächter“ kaum lesbar.

[4] Abk. f. „seiner Zeit“?

[5] Hier ein Wort gestrichen.

[6] Abk. f. „hiesige“.

[7] Zur Aufführung vgl. „Oldenburg“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 41 (1839), Sp. 540.

[8] Vgl. „Verzeichniß der jetzigen Mitglieder des Vereins“, in: Jahrbücher des Deutschen Nationalvereins für Musik und ihre Wissenschaften 1 (1839), S. 4.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.11.2020).