Autograf: Niedersächsisches Landesarchiv Wolfenbüttel (D-Wa), Best. 299 N Nr. 157 (vgl. Arcinsys, dort verschwunden; Mikrofilm in D-Ksp)
Druck 1: Musik, Theater, Bildende Kunst, Literatur und Wissenschaft. Historische Autographen. Versteigerung 14. und 15. Mai 1925 (= Kat. Henrici 104), Berlin 1925, S. 13 (teilweise)
Druck 2: Horst Heussner, Die Symphonien Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anh. S. 38f. (teilweise)

Cassel den 14ten
Mai 1839.

Hochgeehrter Herr u Freund,

Der Überbringer dieser Zeilen, Herr Oberbergdirector Schwedes, ein Verwandter meiner Frau, besucht das Düsseldorfer Musikfest und wünscht sehr den Leiter und Glanzpunkt desselben persönlich kennen zu lernen. Entschuldigen Sie daher gütigst, wenn er Sie durch Abgabe dieses Briefes etwa stören sollte. Kann er in den Fall, Ihre Gefälligkeit in Anspruch nehmen zu müssen, so bitte ich, sie ihm zugewähren.
Ganz wider Erwarten habe ich den Urlaub zur Reise nach England zugestanden erhalten. Ich werde daher nur einen Teil der Ferienzeit von hier abwesend sein und in der letzten Woche des Juli, wo wir auf Ihren Besuch hoffen, wieder hier sein. Erfreuen Sie mich nun recht bald durch eine bestimmte Zusage und eine gefällige genaue Bestimmung der Zeit, damit ich meine Reisepläne darnach einrichte.
Fräulein Novello und ihre Mutter haben mir die Freude machen wollen mich zu besuchen; da es aber an einem Sonntag war, so war das ganze Haus ausgefolgen. Nur der Gärtner0 war im Garten übernahm die Karte der Damen; da er aber nicht bey mir wohnt, so händigte er sie mir erst am andern Morgen ein. Ich eilte sogleich in den römischen Kaiser fand die Damen aber nicht mehr. Haben Sie doch die Güte, ihnen mein Bedauern auszudrücken0a, sie verfehlt zu haben und so um das Vergnügen ihrer persönlichen Bekanntschaft gekommen zu seyn.
Während Sie in Düsseldorf musizieren und ich dort0b Zuhören sein mögte, geben wir hier zur selben Zeit ein Concert1 für Beethovens Denkmal und ich muß auf den Wunsch des Prinzen2 mein neues Concertino „Sonst und Jetzt“ wiederholen. So sehr ich mich auch sträubte und ihm vorstellte, wie unschicklich es sei, an diesem Tage etwas anderes als Beethovensche Kompositionen zu geben, so half doch alles nichts und meiner Nachgiebigkeit habe ich es wahrscheinlich zu danken, daß mir der Urlaub nach England geworden ist.
Erfreuen Sie mich bald mit einigen Zeilen. Mit herzlicher Freundschaft ganz

der Ihrige
Louis Spohr.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Mendelssohn, 29.04.1839. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Mendelssohn, 21.06.1839, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Mendelssohn an Spohr erschließen lässt.
Heussner gibt in seiner Wiedergabe dieses Briefs keinen Adressaten an. Diese Identifikation folgt hier nach der eindeutigen Angabe im Auktionskatalog.

[0] [Ergänzung 20.07.2023:] Noch nicht ermittelt.

[0a] [Ergänzung 20.07.2023:] Clara Novello übernahm eine Solopartie beim vom Mendelssohn geleiteten Niederrheinischen Musikfest in Düsseldorf (vgl. „Düsseldorf, d. 25sten Mai“, in: Neue Zeitschrift für Musik 10 (1839), S. 184.

[0b] [Ergänzung 20.07.2023:] „dort“ über der Zeile eingefügt.

[1] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 08.05.1839.

[2] [Ergänzung 20.07.2023:] Der spätere Kurfürst Friedrich Wilhelm.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.06.2020). Zunächst nach den Drucken ediert; nach dem Autograf neu kollationiert (20.07.2023).