Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,179
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 212f. (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Frankfurt a/m


Cassel den 8ten
Mai 1839.

Geliebter Freund,

Einige meiner Bekannten und ich wünschen die Gazette musicale von Ihnen unter den bestimmten Bedingungen zu erhalten und wenn Sie nicht bereits alle Ihre Exemplare vergeben haben, so bitte ich uns eines durch Buchhändlergelegenheit so oft es sich thun läßt, zukommen zu lassen. Adressiren Sie gefälligst an den Kammermusikus Mosenthal, der die Besorgung übernommen hat.
Für Ihre Mozartstiftung hoffe ich auch einmal etwas veranstalten zu können, obgleich ich fortwährend nur darauf speculiren muß, durch Veranstaltung eines Concerts und Oratorium so viel, wie unsere jährlichen Wiwenpensionen betragen, zusammen zu bringen. Unseren ergiebigsten Tag, den ersten Pfingsttag, hat uns der Prinz für dieses Jahr auch genommen und für das Concert zu Beethovens Denkmal bestimmt, weil die Gräfin Schaumburg1 als Bonnerin sich dafür interessirt.2 Durch was für ein Unternehmen ich diesen Ausfall in unserer Kasse decken werde, weiß ich noch nicht. So hat aber hiefür Rath geschafft ist, werde ich Ihrer Aufforderung gedenken.
Ich bin eingeladen worden, das diesjährige große Musikfest in Norwich, wo mein Oratorium „Des Heilands letzte Stunden” gegeben wird zu dirigiren. Ganz wider alles Erwarten habe ich den Urlaub dazu verwilligt erhalten, obgleich es Mitt[e] September, außer unserer Ferienzeit fällt. Ich werde demnach Anfang September mit meiner Frau über Rotterdam nach London gehen und muß nun, damit meine zahlreichen Schüler nicht gar zu viel versäumen, während der Ferienzeit hierbleiben, mit Ausnahme von etwa 8 Tagen, die ich zu einem Besuch bey meinen Eltern verwenden werde. – Ich habe bereits in Norwich zugesagt und werde sogar noch ei[n]mal als Solospieler in einem [der] Concerte dort auftreten, wahrsche[inlich] mit meinem neuen Concertino „Sonst und Jetzt”, das hier viel Glück gemacht hat.
Von der Wirksamkeit unseres Vereins verspreche ich mir eben nicht viel. Die Zeitung3 kann gut werden, wenn Marx, Kahlert und andere talentvolle ordentliche Mitglieder thätig mitarbeiten, schreibt sie Schilling aber allein, so wird sie auch nicht mehr einen Gehalt bekommen wie alle seine anderen Schriften.
Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen

Mit herzlicher Freundschaft stets Ihr
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 30.03.1839. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 14.06.1839.

[1] Gertrude, spätere Kurfürstin von Hessen-Kassel.

[2] Vgl. Louis Spohr, Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel 1861, S. 299). 

[3] Jahrbücher des Deutschen Nationalvereins für Musik und ihre Wissenschaft. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.03.2016).

Cassel, 8. Mai 1839.

... Ich bin eingeladen worden, das diesjährige große Musikfest in Norwich, wo mein Oratorium ,Des Heilands letzte Stunden’, gegeben wird, zu dirigieren. Ganz wider alles Erwarten habe ich den Urlaub dazu bewilligt erhalten, obgleich es Mitte September und außer unserer Ferienzeit fällt. Ich werde demnach Anfang September mit meiner Frau über Rotterdam nach London gehen und muß nun, damit meine zahlreichen Schüler nicht gar zu viel versäumen, während der Ferienzeit hierbleiben. ... Ich habe bereits in Norwich zugesagt und werde sogar noch einmal als Solospieler in einem der Konzerte dort auftreten, wahrscheinlich mit meinem neuen Concertino ,Sonst und Jetzt’, das hier viel Glück gemacht hat ...