Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Simon Moser, Das Liedschaffen Louis Spohrs. Studien, Kataloge, Analysen, Wertungen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kunstliedes, Kassel 2005, Bd. 1, S. 60 (teilweise)
Inhaltsangabe: Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 463f.

An Sr. Hochwohlgeboren
den Churfürstlich Hessischen Kapellmeister
Herrn Louis Spohr.
Ritter u u u(???)
zu
Cassel.

frey [???].1


Schloß zu Ploen im Herzogthum Holstein
den 1st May 1839.

Von dem Manne, der abgezogen durch das hohe geistige Leben in der Kunst, durch einen edlen Beruf und dem großen Verkehr mit der Welt, darf kaum derjenige hoffen erinnert zu sein, der in nur zu flüchtigen Augenblicken an dem Braunschweiger Musikfeste die Ehre hatte Ew. Hochwohlgeboren vorgestellt zu werden. Lebhaft jedoch, schweben diese für mich so interessanten Momente vor meiner Erinnerung, und ich bin voll des Dankes für einige zu der Zeit durch Ihre liebenswürdige Gewogenheit empfangenen Zeilen, und ich bin stolz sie zu besitzen, und die reihen sich an den schönsten und glänzendsten Andenken meines Lebens.
Kühn geworden durch so schöne Beweise freundlichsten und gütigsten Wohlwollens für einen noch2 Ew. Hochwohlgeboren so ganz unbekannten Manne, wage ich hierdurch eine Bitte, die wenn die Grenzen der Bescheidenheit überschreitet, Sie mir verzeihen werden, und von Ihnen nicht weiter beachtet sein darf. Schwebt aber die Möglichkeit vor, daß Ihre übergroße Güte darauf Rücksicht nimmt, – O, wie unendlich würden Sie mich beglücken! Es gilt einer jungen Dame3 voll Geist und Talent und Liebenswürdigkeit zu ihrem Geburtstage ein Zeichen meiner Verehrung zu bringen, und diese würde sich am lebendigsten aussprechen in einer eigens dazu bestimmten Schöpfung von dem mir höchst stehenden Genius unserer Zeit, und somit erkühne ich mich, höchstverehrter Herr Kapellmeister zu bitten, wenn Ihnen Muße dazu wird und Sie eine augenblickliche Inspiration dazu finden, mir gewogentlichst die beiligenden französischen Strophen, und zwar wenn ich wagen dürfte darum zu bitten, vor Ausgang dieses Monats in einfacher, klagender, Ihnen so eigenthümlich seelenvoller Melodie, für eine Altstimme mit Begleitung des Pianoforte zu setzen, der Gegenstand dem diese Composition gewidmet ist, ist so hoher Auszeichnung würdig, und würde Ihre eigenhändige Namensunterschrift sie noch verherrlichen, denn, würde ihm ein erhöhtes Selbstgefühl überfließen in dem Schmelz der Töne, und in meinem Herzen errichten Sie Sich ein dauerndes Denkmal der Dankbarkeit. Erröthend über meine seltsame, wohl nur zu unbescheidene Bitte, die nur der erhabene Künstler mit Hinblick auf ihre Triebfeder nachsichtsvoll beurtheilen kann, hoffe ich daß mir im Laufe des Sommers auf einer beabsichtigten Reise nach Paris, bei einer Durchreise durch Cassel der Vorzug vergönnt wird Ew. Hochwohlgeboren und Frau Gemahlin, der ich auch in Braunschweig so glücklich war vorgestellt zu werden, persönlich den Ausdruck meiner Huldigung zu bringen. Möchten Sie diese im Voraus durch diese Worte genehmigen und durch Ihr gewogentliches Andenken beglücken der mit den Gesinnungen einer wahrhaft enthusiastischen Verehrung die Ehre hat sich zu unterzeichnen

Ew Hochwohlgeboren
ganz gehorsam
Fabritius de Tengnagel
Königl. Dänischer Kammerherr pp

Bey dem Schlusse dieses Briefes fällt mir der Hamburger Correspondent4 in die Hand worin Erwähnung geschieht von Ew Hochwohlgeboren Ernennung zum Ehren-Mitglied der Akademie der heil. Cäcilia in Rom und namentlich, von Ihrer empfangenen Einladung zum Musikfeste zu Norwich in England. – Ich erlaube mir diese in einer Nachschrift zu berühren, nicht um so ehrenvoller Auszeichnung beglückwünschend zu nennen, denn dem gefeierten Meister muß jede Krone der Ehre entgegengetragen werden, und um mir selbst Glück zu wünschen daß der Himmel mir die Empfänglichkeit verlieh in das tiefe Wesen Ihres Talentes begeistert zu schauen und den unauslöschlichen Durst wußte an dem Quell Ihrer reichen Schöpfungen zu trinken.

Autor(en): Fabritius de Tengnagel, Adolph
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Alt Kl, WoO 100
Erwähnte Orte: Braunschweig
Kassel
Paris
Erwähnte Institutionen: Accademia Nazionale di Santa Cecilia <Rom>
Musikfeste <Braunschweig>
Norfolk and Norwich Triennial Festival
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1839050145

Spohr



Das letzte erhaltene Schriftstück dieser Korrespondenz ist Fabritius an Spohr, 10.07.1836. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „DA LUEBECK / PAR HAMBURG“, links über dem Adressfeld der Stempel „9 MAY
[????]“, rechts darunter „T F / HAMBURG“.

[2] „noch“ über der Zeile eingefügt.

[3] Noch nicht ermittelt.

[4] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.11.2021).