Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Taylor, E.:6

Dr. Louis Spohr
Hesse Cassel
Germany


Höchstgeehrter Freund und Gönner,

Es bedarf nicht meiner Versicherung, daß Ihr sehr willkommenes Schreiben vom 13t April mir das aufrichtige Vergnügen verursachte. Ich hege keinen Zweifel, Sie in Norwich zu sehen, weil es mir unmöglich scheint, Ihr Fürst könne die Grausamkeit haben, uns Engländern diese Bitte zu verweigern, zumal da unsere junge Königin Patronin (patroness) des Norwicher Festes ist.
Ich werde jetzt Ihre vorläufigen Fragen beantworten – Ihre schätzbaren Dienste werden nur für die Leitung Ihres eigenen Oratoriums und für den Vortrag eines Violin-Concerto's in einem der Abendconzerte erforderlich sein. Ich selbst werde die Ehre haben, die übrigen Morgenconzerte zu dirigiren in denen Händel's Israel in Egypten und der Messias – ferner ein Jubiläum von Purcell, und verschiedene andere Compositionen als einzelne Gesänge und Chöre vorgetragen werden.
Unsere Feste in Provizial-Städten gehen, wie die Nothwendigkeit gebietet, ohne öftere Proben vor sich. Viele Musikstücke, wie z.B. Händel's Oratorien sind von allen Sängern und Spielern so wohl gekonnt, daß sie keiner weiteren Proben bedürfen. – Mein Plan ist folgender. Vor einem Monate war ich in Norwich, wo ich einer Probe Ihres Oratoriums beiwohnte, welche von dem dortigen Chor-Verein, der aus 200 Mitgliedern besteht, gegeben ward, und ich ließ die Copien zurück, damit jene Mitglieder ihr Studium sowohl einzeln, als vereint fortsetzen könnten. Im Juli werde ich noch einmal nach Norwich reisen, um sie zu hören. Ferner werden Sie, bester Freund, sich erinnern, daß bei einer solchen Aufführung in den Hannover Square Rooms mehrere Proben desselben Statt fanden; ähnliche werde ich in London im Monate August mit dem Orchester und den ersten Sängern erneuern. Sie aber würden in Norwich am Montage, den 16t September, die Probe leiten, bei welcher alle Sänger und Musiker zugegen sein werden. Die Solo-Sänger sind bis jetzt noch nicht engagirt, jedoch werden wir die besten haben, die England auftreiben kann.
Die Entfernung, in der ich von Norwich lebe, erlaubt mir keine andern, als schriftliche Mittheilungen an die Comitee des Festes, und deshalb habe ich nicht Vollmacht genug, Ihnen eine bestimmte Summe anzubieten. Ueberzeugt bin ich jedoch, daß man Ihnen auf jeden Fall eine Summe geben wird, bedeutend größer, als die, um die Kosten Ihrer Reise zu decken. Setzen Sie, ich bitte Sie, keinen Zweifel in die Bereitwilligkeit der Comittee, zu thun, was recht und zugleich liberal ist, obgleich sie, da das Fest zu Besten der Armen gegeben wird, vielleicht nicht im Stande ist, so ganz ihren eignen Wünschen in Bezug auf Vergütung Ihrer großen Dienste, geehrtester Freund, nachzukommen. Sicher bin ich jedoch, Sie werden mit Ihren Bedingungen dieser Art auf keine Schwierigkeit stoßen.
Von Yarmouth nach Rotterdam geht kein Dampfschiff, und Sie würden deshalb nach London kommen und von hier nach Norwich reisen müssen – jedoch ist Norwich nur 12 Stunden von London entfernt, und es gehen jeden Morgen und Abend Kutschen von hier dorthin ab. Das Fest endet am Freitag, den 20st September, so, daß Sie am Sonnabend in London sein, und – wenn erforderlich – London mit dem Frachtbotoe verlassen können, welches am Sonntag, den 22st Sept. abgeht.
Ich werde bei unserer Regierung um den Freischein einkommen, und bin gewiß, ihn zu erhalten.
Wenn Sie nach London kommen, so bitte ich um die Ehre, mein Haus wie das Ihrige anzusehen – auch würden Sie mich durch eine Antwort auf die Einladung des Bürgermeisters1 in Norwich verbinden.
Ich hatte die Ehre, vom Dr. Schilling einen Brief mit Vielem zu erhalten, das mich zum correspondieren Mitgliede des Deutschen National-Musik-Vereins ernennt, und nicht ohne ein besonderes Vergnügen sehe ich Sie als Präsidenten desselben. – Ich billige vollkommen den Grund, so wie ich den Geist schätze, der sich in dem Unternehmen des Vereins ausspricht. Ihr Name, beehrter Freund, ist die beste Bürgschaft sowohl für seine hohe Würde, als auch für den richtigen und wohlthätigen Einfluß, den er auf unsere Kunst ausüben wird. Ich werde glücklich sein, eine so lebenwerthe Absicht befördern zu helfen, und fühle mich besonders geehrt durch die schmeichelhafte Auszeichnung, die mir zu Theil geworden ist.
Ihnen aber, geehrtester Freund, empfiehlt sich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung

Ew. Wohlgeborner
aufrichtigster Freund u. Bewunderer
Edw. Taylor.

Quoique j‘ai parlé d‘un Concerto seul, il est bien probable que le Comité desidera que jouriez un Concerto Violono au premier Concert, et aussi au dernier ET.

26 Avril. 1839
3 Regent Square.



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Taylor, 13.04.1839. Spohrs Antwortbrief vom 06.05.1839 ist derzeit ebenfalls verschollen.
Von Taylors Hand stammen Unterschrift und französischer Text; den deutschen Text schrieb Taylors spätere Schwiegertochter Meta geb. Dochow.

[1] John Marshall.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.12.2017).