Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Meiningen den 6 März 1839.

Werther Herr Kapellmeister!

Herr Hap, der Neffe unsers guten seeligen Bärwalds hat mich gebeten einige Zeilen an Sie wegen seiner zu richten, weshalb ich Sie hiermit belästige. Meinerseits kann ich nur die größte Freude nebst Dank darüber aussprechen das Sie sich seiner annehmen, u. binn überzeugt daß er sich zu jeder Zeit Ihrer würdig halten wird, indem er in Beziehung seines Karacters ganz das Ebenbild seines seeligen Onkels ist, den Sie so gut u. woll noch genauer gekannt als ich. Da ich ein großes Interesse für diesen jungen Mann habe, u. die Wünsche seines seeligen Onkels ganz genau in Bezug des hiesigen musikalischen Verhältnisse kenne, von denen jetzt u. auch in Zukunft nichts erfreuliches zu sagen ist, so nehme ich mir die Freiheit durch die Veranlassung des Herrn Hap Ihnen ganz offen u. der Warheit gemäß die hiesigen Verhältnisse ganz kurtz auseinander zu setzen.
Das Höchste waß ein Künstler hier erreichen kann sind, 500 Rth. jährlich, da muß dieser aber schon lange Jahre gedient haben, u. es zum Kammermusikus bringen wenn er diese Summe erlangen will. Ihren Anfang machen gewöhnlich diese jungen Leute hier mit 50, 100, 150, höchstens mit 200 Rth. hat er dann endlich einer nach vieler Mühe u. den bitterlichsten Sorgen zum Hofmusicus gebracht, so ist das Resultat jährlich 300 Rth. Auf diesen Fleck bleiben aber in der Regel, wie es die neure Zeit beweisen diese jungen Leute stehen, da nur in Zukunft der Titel Hofmusicus bey behalten werden soll, u. der Etat für diese auf 300 Rth. festgesetzt ist. Wenn ich auch nun überzeugt bin das Herr Hap es hier ganz gewiß mit der Zeit auf 500 Rth. bringen wird, so kann man aber hier unter den jetzigen Zeitverhältnissen, wo alles so übertrieben theuer geworden ist, ohne sich nicht den erbärmlichsten Sorgen gewiß zu geben davon leben. Ich setze hier voraus, das Sie Grund auch seine Ansichten kennen, die ich aber durchaus nicht billigen kann, u. glaube auch das er es durchsetzen wird den Herzog zu bewegen, daß er ihm ein paar hundert Rth. giebt um damit nach Paris zu gehen. Dieß ist aber durchaus gegen seinen Plan, indem er glaubt sich dadurch für hier verbindlich zu machen, u. auch gegen den Willen seines seeligen Onkels handeln würde, dessen Wunsch ich so oft u. auch in der letzten Zeit seines Hinscheidens für ihm aussprechen hörte. Nach meiner Überzeugung hat der Herr Hap ganz recht wenn er dieß Anerbieten unter einem gewissten Vorwandt u. Vorbehalt vorerst ablehnen will, denn er ist durchaus gegen Paris eingenommen u. hegt nur den einzigen Wunsch, unter Ihrer Leitung seyn Studium zu vollenden, womit ich auch ganz einverstanden bin, auch da ich von ihm überzeugt, u. es schon in ihm liegt, daß er sich als Komponist, mal als ein ächt Teutscher auszeichnen wird. Ich habe noch keinen jungen Mann von diesen Jahren gekannt, der mit solchem Eifer u. ausdauernden Fleiß, so festen Willen u. Karakterstärke begabt ist wie dieser, u. ohne Zweifel wird er sich als Geiger so wie auch als Komponist auszeichnen, denn hier hat er schon vielseitige Beweise gegeben die alles das rechtfertigen was ich hier von ihm sage. In einigen Tagen wird er hier auf den Theater auf Wunsch des Herzogs auftreten u. ein Concertino von seiner Komposition spielen, Sie sehen also was hieraus hervorgeht. – Sie werden aus meinem Schreiben ersehen daß ich nur das Wohl dieses jungen Mannes im Auge habe, u. bitte Sie daher, auch im Namen seines seeligen Onkels noch, wenn es in Ihren Kräften steht ihm sobald als nur möglich von hier fortzuschaffen, waß er gewiß dankbar anerkennen wird! Verzeihen Sie, wenn ich Sie belästigt habe, die allzugroße Liebe für diesen jungen Mann, u. daß mir so theure Andenken seines guten brafen nunmehr dahingeschiedenen Onkels machen es mir zur Pflicht mich seiner anzunehmen.
Mit der Überzeugung, u. auf Ihr Vertrauen stützend, daß Sie ihm mit Rath u. That in diesen Verhältnissen an die Hand gehen werden, empfiehlt sich mit der vollkommensten Hochachtung

Ihr
ergebener
G. Knoop.

Autor(en): Knoop, Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bärwolf, Johann Christian Wilhelm
Happ, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Paris
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1839030644

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Knoop an Spohr, 25.09.1833.
Dieser Brief lag zusammen mit Eduard Grund an Spohr, 04.03.1839 dem Brief Wilhelm Happ an Spohr, 04.03.1839 bei.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.06.2021).