Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,267
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 208f. (teilweise)

Frankfurt am 5 Januar 1839.

Theurer Freund!

Sie haben wohl gethan, die riesige Partitur Ali Baba’s noch an sich zu halten. Der Plan, ein historisches Conzert zu geben, wird nicht zur Ausführung kommen, da viele Hindernisse der Sache im Wege stehen. Auch hat Hauptmanns Brief1, dem ich grüßend danke, zur Beseitigung beigetragen. Ich habe übrigens ein Programm entworfen, das ich Ihnen mitteilen will u. das aus Sachen besteht, die meistens noch hier gar nicht zur Aufführung gekommen sind.

1. Abtheilung
Ouvertüre zur schönen Melusine von Mendelssohn
Terzett aus dem Schauspieldirektor von Mozart
Nonett von Spohr
Solo u. Chor aus Lodoiska von Cherubini

2. Abteilung
Ouvertüre aus Uthal von Méhul
Quartett aus Zaide von Mozart
Concertante für vier Violinen von Maurer
Maurer Cantate von Mozart

3. Abteilung
Ouvertüre aus Zaide von Mozart
Phantasie für Orchester, Pianoforte und Chor von Beethoven
Lieder mit Clarinettbegleitung von Spohr
Festlied von Stunz (beim Sängerfest mit großem Beifall vorgetragen)
Chor der Scythen aus Iphigenie auf Tauris von Gluck.

Haben Sie in dieser Auswahl etwas zu bemerken, so bitte ich sehr darum. Das Conzert wird übrigens erst im Monat Februar gegeben werden können, da die Löwe2 den Beutel zu sehr in Requisition gesetzt hat.
Ihre Lieder mit Clarinettbegleitung sind gestern, auf meine Empfehlung (da Guhr sich um gar nichts bekümmert) im Museum mit außerordentlichem Beifall gesungen worden, u. werden nächstens wiederholt. Leider konnte ich nicht beiwohnen, denn wir haben Trauer. Meine Schwägerin Forsboom liegt seit 3 Wochen an einem nervösen Schleimfieber3 krank. Ihre Schwester Victoire kommt zum Besuch zu ihr aus Darmstadt, wird auch krank u. stirbt nach einigen Tagen. Nun wird auch ihr Mann, mein Schwager Forsboom krank; das Nervenfieber stellt sich bei ihm ein, u. er liegt seit einigen Tagen fast ohne Hoffnung danieder. Das Entsetzliche ist, daß die Kranke, weder von dem Tod ihrer Schwester, noch von der traurigen Lage des Gatten die mindeste Kenntniß hat und beide leicht unpäßlich glaubt. Das ist ein großer Jammer! Unter diesen Umständen mögen Sie sich die Lage meiner Frau u. aller Angehörigen denken!
Alle kleinen benachbarten Orte haben schon Conzerte für die Mozartstiftung gegeben. Wäre es dann nicht möglich auch bei Ihnen etwas zu veranstalten? Das Beispiel wäre gut, wenn auch aus einer größeren Stadt ein Zeichen der Theilnahme sich zeigte. Am Jahrestag des Festes tritt die Stiftung ins Leben.
Der Himmel erhalte Sie u. die Ihrigen gesund.

Ihr treuer WmSpy.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Speyer, 27.12.1838. Spohr beantwortete diesen Brief am 26.01.1838.

[1] Moritz Hauptmann an Spohr, 27.12.1838.

[2] Vgl. „Frankfurt, 12. April”, in: Frankfurter-Oberpostamts-Zeitung, 13.04.1838, nicht paginiert; „Kunstrunkenes Urtheil über Sophie Löwe”, in: ebd., 17.04.1838, nicht paginiert

[3] Vgl. Joh[ann] Nep[omuk] von Raimann, Handbuch der speciellen medizinischen Pathologie und Therapie, 5. Aufl., Bd. 1, Wien 1839, S. 182-193. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.03.2016).

Frankfurt, 5. Januar 1839.

... Der Plan, ein historisches Konzert zu geben, wird nicht zur Ausführung kommen, da viele Hindernisse der Sache im Wege stehen. Auch hat Hauptmanns Brief, dem ich grüßend danke, zur Beseitigung beigetragen. Ich habe übrigens ein Programm entworfen, das ich Ihnen mitteilen will und das aus Sachen besteht, die meistens hier noch gar nicht zur Aufführung gekommen sind.

I. Abteilung
Ouvertüre, ,Zur schönen Melusine’ ... Mendelssohn
Terzett, aus dem ,Schauspieldirektor’ ... Mozart
Nonett, für Streich- und Blasinstrumenten ... Spohr
Solo und Chor, aus ,Lodoiska’ ... Cherubini

II. Abteilung
Ouvertüre, zu ,Uthal’ ... Méhul
Quartett, aus ,Zaide’ ... Mozart
Concertante, für vier Violinen ... Maurer
Maurer Kantate ... Mozart

III. Abteilung
Ouvertüre, zu ,Zaide’ ... Mozart
Phantasie, für Orchester, Pianoforte und Chor ... Beethoven
Lieder, mit Klarinettbegleitung ... Spohr
Festlied, für Männerchor ... Stunz
Chor der Scythen, aus ,Iphigenie auf Tauris’ ... Gluck

Haben Sie in dieser Auswahl etwas zu bemerken, so bitte ich sehr darum ... Ihre Lieder mit Klarinettbegleitung sind gestern auf meine Empfehlung hin im Museumskonzert mit außerordentlichem Beifall gesungen worden und werden nächstens wiederholt.
Leider konnte ich dem Konzert nicht beiwohnen, denn wir haben Trauer. Meine Schwägerin Forsboom liegt seit drei Wochen an einem nervöse Schleimfieber krank. Ihre Schwester Victoire kommt zum Besuch zu ihr aus Darmstadt, wird auch krank und stirbt nach einigen Tagen. Nun wird auch ihr Mann, mein Schwager Forsboom, krank. Das Nervenfieber stellt sich bei ihm ein und er liegt seit einigen Tagen fast ohne Hoffnung danieder. Das entsetzliche ist, daß die Kranke weder von dem Tod ihrer Schwester, noch von der traurigen Lage des Gatten die leisetste Ahnung hat und beide leicht unpäßlich glaubt. Das ist ein großer Jammer! Unter diesen Umständen mögen Sie sich die Lage meiner Frau und aller Angehörigen denken! ...