Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,177
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 203 (teilweise)

Cassel den 27ten
December 1838.

Geliebter Freund,

Ihr lieber Brief vom 10ten dieses ist erst vorgestern in meine Hände gekommen; ich eile deshalb um so mehr ihn zu beantworten und Ihnen beykommend die Partitur und Orchesterstimmen von Ali Baba zu schicken. Dabey bitte ich, es dort nicht ohne Noth bekannt werden zu lassen, daß Sie die Oper von mir haben, da ein Befehl des Prinzen jedes Verborgen aus der Theaterbibliothek verbiethet. Auch bitte ich um sofortige Zurücksendung sobald das Concert gewesen ist. – Hinsichtlich Ihres Wunsches Ihnen für Ihr historisches Konzert Rath zu erteilen habe ich Hauptmann angesprochen, der in alter Musik viel bewanderter ist wie ich. Er wird mir einen Aufsatz schicken, den ich dem Paquete beylegen werde.1 Sollten Sie in der 4ten Abtheilung etwas von mir geben wollen, so würde dazu das Nonett, oder auch eins der Doppetquartette wohl am besten passen. – Noch lege ich dem Paquete ein Duett und mein letztes Concertino mit Pianoforte bey und bitte Herrn Schnyder es der Madame Filipowitz gelegentlich nach London zu schicken, wozu er sich, wie ihr Brief sagt, gütig erbeten hat.
In Dresden bey Paul wird mein neues Quintett (das 5te,) gestochen, welches die hiesigen Kunstkenner für das Beste halten. – So eben habe ich ein Heft von 6 Duetten, theils für 2 Soprane, theils für Tenor und Sopran beendigt, die ich auf den Wunsch von Simrock und für seinen Verlag geschrieben habe.2 Sind meine neuen Lieder mit Clarinette schon in Frankfurt bekannt und haben Sie sie gehört? Sie finden in Leipzig so vielen Beyfall, daß Mendelssohn mir ihretwegen besonders schrieb.3 – Das Frankfurter Vater-Unser habe ich nach Wien geschickt, wo es im ersten Concert spirituel aufgeführt werden wird. Ich hatte erst die Absicht, dem Orchester Saiteninstrumente beyzugeben; da es aber an passenden Figuren für diese in [der] Komposition fehlt, so habe ich [e]s [wie]der aufgegeben und es wird [in] Wien daher eben so begleitet seyn wie bey Ihnen.
Die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen. Mit inniger Freundschaft stets

der Ihrige

Louis Spohr

N.S. Wie mir eben der Orchesterdiener die riesigen 5 Bände der Partitur von Ali Baba und die ebenso riesigen Bände der Orchesterstimmen bringt, scheint es mir doch gerathener erst noch bey Ihnen anzufragen, ob die Oper auch wirklich gebraucht werde und bey der Verspätung Ihres Briefs nicht etwa zu spät komme? – Schreiben Sie mir ungehend, daß Sie sie haben wollen, so kann sie demohngeachtet in 4-5 Tagen zu Ihren Händen seyn. – Hauptmann schickt so eben, was er aufgeschrieben hat. Sollten Sie von [uns] noch mehr Musik zu erhalten wünschen, so schreiben S[ie] [???]



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 10.12.1838. Speyer beantwortete diesen Brief am 05.01.1839.

[1] Moritz Hauptmann an Spohr, 27.12.1838.

[2] Vgl. Spohr an den Musikverlag Simrock, 10.01.1838 und folgende. 

[3] Felix Mendelssohn Bartholdy an Spohr, 05.09.1838.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.03.2016).

Cassel, 27. Dezember 1838.

... Hinsichtlich Ihres Wunsches Ihnen für Ihr historisches Konzert Rat zu erteilen habe ich Hauptmann angesprochen, der in alter Musik viel bewanderter ist wie ich. Er wird mir einen Aufsatz schicken, den ich Ihnen übersenden werde. Sollten Sie in der vierten Abteilung etwas von mir geben wollen, so würde dazu das Nonett, oder auch eines der Doppetquartette wohl am besten passen ... Sind meine neuen Lieder mit Klarinette schon in Frankfurt bekannt und haben Sie sie gehört? Sie finden in Leipzig so vielen Beifall, daß Mendelssohn mir ihretwegen besonders schrieb. Das Frankfurter ,Vater Unser’ habe ich nach Wien geschickt, wo es im ersten ,Concert spirituel’ aufgeführt werden wird ...