Autograf: Bodleian Library Oxford (GB-Ob), Sign. GB 8: 52
Druck: John Michael Cooper und R. Larry Todd, „'With True Esteem and Friendship'. The Correspondence of Felix Mendelssohn Bartholdy and Louis Spohr“, in: Journal of Musicological Research 29 (2010), S. 171-259, hier S. 234f.; englische Übersetzung S. 193f.

Cassel den 9ten
September 1838.

Geehrter Herr u. Freund,

Mit morgender fahrender Post sende ich die Stimmen der Sinfonie1 nebst der Directionsstimme an Herrn Härtel ab.2 Da meine Stimmen corrigirt sind, so werden Sie sich, glaube ich, mit der Directionsstimme statt der Partitur behelfen können. Um recht tüchtige Proben brauche ich bey Ihnen nicht erst zu bitten, doch wollte ich nicht unbemerkt lassen, daß3 diese Sinfonie, vieleicht mehr wie selbst die 4te4, dieser bedarf, um ganz klar zu werden. Am schlimmsten ist das Flüchtige und Leichte im Mittelsatze des 1sten Allegro’s5 und die reine Intonation beym Trio des Scherzo zu erreichen, da die 2te Clarinette und der 2te Fagott gewöhnlich schlecht intoniren.6 Auch waren sie mir hier bey diesem Trio immer zu stark, so wohl bey der Harmonie als auch beym Pizzicato des Quartetts und erst nach langem Predigen wurde es gut. Die Tempi sind, wie ich bemerke, nicht nach dem Metronom bezeichnet; ich lasse es nun auch, da ich dem Meinigen nicht traue, um so mehr aber der Richtigkeit Ihres Gefühls. Bemerken will ich nur, daß ich die 3 Allegro-Sätze so schnell genommen habe, wie es die Deutlichkeit nur immer erlauben wollte.
Nun zu einer Bitte. David erzählte mir, Sie hätten in Berlin 2 Sinfonien auf einmal geschrieben. (Glückliche Jugend, wo man sich vor Übermaaß der Ideen nicht zu lassen weiß!) eine davon werden Sie gewiß bald in Ihren Concerten zur Aufführung bringen. Ist dies geschehen, so wünschte ich sehnlichst sie auch hier zu Gehör zu bringen. Würden Sie sie uns daher wohl zu einer Aufführung in unsern Abonnements-Concerten in Partitur uns Stimmen auf 14 Tage borgen? Sie würden dadurch Ihre hiesigen Verehrer sehr beglücken!
Bey Simrock ist kürzlich eine Hymne von mir, für Chor- und Solostimmen mit großem Orchester, gestochen, die sich sehr zu Concertaufführungen eignet. Ich bin daher so frei, Sie auf selbe für Ihre Concerte aufserksam zu machen.
Daß Ihnen das Lied „7Zwiegesang“ gefallen hat, freuet mich um so m[ehr] da auch ich es, nebst dem8 letzten [„Wach] auf“ für die besten der Sammlung halte, während meine Frau und die andern hiesigen Frauenzimmer sich mehr den sentimentalen, besonders dem „heimlichen Lied“ zuwenden.
Recht begierig bin ich auf Ihr Urtheil über das neueste Heft Lieder (bey Hellmuth in Halle, [der Chef9 der Handlung hat mich auch wie Sie angesungen und ich habe nicht so wie Sie seiner Poesie widerstehen können,]{10]) in welchem sich drei befinden, auf die ich besondern Werth lege.
Herzliche Grüße an Ihre Fr. Gemahlin, Mad. Voigt, David pp. Mit inniger Liebe stets
Ihr Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Personen: Sturtevant, James Sterlei
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Lieder, Sopr/Ten Kl, op. 105
Spohr, Louis : Lieder, Sopr Klar Kl, op. 103
Spohr, Louis : Sinfonien, op. 102
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hellmuth <Halle>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838090911

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Mendelssohn an Spohr, 05.09.1838. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mendelssohn an Spohr, 22.04.1839.

[1] Op. 102.

[2] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[3] Hier gestrichen: „sie“.

[4] Die Weihe der Töne.

[5] Vgl. Louis Spohr, Fünfte Sinfonie (in C-moll), Wien 1840, ab S. 5.

[6] Vgl. ebd., S. 79-85.

[7] Hier vier Buchstaben gestrichen („Sing“?).

[8] „nebst dem“ über gestrichenem „sondern des(?)“ eingefügt.

[9] James Sterlei Sturtevant.

[10] Text in eckigen Klammern am linken Seitenrand eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.06.2020).