Autograf: nicht ermittelt
Druck: Briefe hervorragender verstorbener Männer Deutschlands an Alexander Weill, Zürich 1889, S. 151f.

Geliebter Freund!
 
Sie werden mich längst in Carlsbad glauben, und noch immer sitze ich hier, obgleich unsere Ferien schon gestern vor 8 Tagen begonnen haben. Als Folge eines Verdrusses wegen meines Urlaubs im vorigen Jahre, von dem Sie vielleicht gehört haben, habe ich wieder höchst unangenehme Unterhandlungen wegen des diesjährigen Urlaubs gehabt und erst jetzt ist es mir gelungen, ihn loszukämpfen. Als Folge dieser Verspätung bin ich nun aber leider außer Stande, zu Ihrem Sängerfest zu kommen1, denn wollte ich auch selbst die letzte Woche meiner Badekur aufgeben, so hindert mein Kommen doch der Umstand, daß meine Schwiegermutter mich begleitet und ihr die Kur, volle 4 Wochen, zur strengsten Pflicht gemacht ist. So sehr ich mich indessen auch früher auf Ihr Fest gefreut habe, so würde ich doch jetzt, nach dem harten Geschick, wenig frohe Augenblicke dort verlebt haben, da Frankfurt, die Geburtsstadt meiner Theresa mich zu schmerzlich an sie und alle die Verluste, die ich in den letzten Jahren gehabt habe, erinnert haben würde.2 Ich überlasse es nun Ihrer Einsicht und Freundschaft für mich, mein Nichtkommen auf die beste Art zu entschuldigen und zu erklären, und bemerke nur noch in Bezug auf mein Vater-Unser, daß ich wünsche, Guhr möge es nun statt meiner dirigiren. Da ich auf dem Titel der Schnyder'schen Composition gesehen habe, daß Sie auch Contrabässe haben werden, so habe ich meiner Instrumentation nachträglich noch einen Contrabaß hinzu gefügt, den ich Ihnen beiliegend übersende. Es kann nun die Ophakleide, wenn sie nicht rein und gut geblasen wird, allenfalls ganz wegbleiben. Schließlich bitte ich Sie noch freundschaftlichst, darüber zu wachen, daß meine Composition sorgfältig probirt und mit Sorgsamkeit gegeben werde.
Sollten Sie mir in den nächsten 4 Wochen eine Mittheilung zu machen haben, so bitte ich, den Brief direct nach Carlsbad zu adressiren, wo er sicher in meine Hände kommen wird, wenn gleich ich Ihnen noch nicht meine Wohnung dort bezeichnen kann.
Für die güthige Mittheilung der beiden anderen, für die Aufführung bestimmten Compositionen sage ich den herzlichsten Dank.
Ich werde sie mir, als Ersatz für meine Entbehrung, mit nach Carlsbad nehmen und mich dort mit Ihnen recht bekannt machen.
Der Himmel lasse Sie mit den lieben Ihrigen das Fest recht fröhlich erleben!
 
Mit herzlicher Freundschaft ganz
Der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Weill, Alexander
Erwähnte Personen: Guhr, Carl
Pfeiffer, Louise
Spohr, Therese
Erwähnte Kompositionen: Klein, Bernhard : Ich danke dem Herrn
Schnyder von Wartensee, Franz Xaver : Zeit und Ewigkeit
Spohr, Louis : Vater Unser, WoO 70
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Karlsbad
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838062415

Spohr



[1] Vgl. A[lexander] Weill, „Die drei Festtage Frankfurts”, in: Frankfurter Jahrbücher 12 (1838), S. 55-60, zu Spohrs im Brief genannten Vater Unser ebd., S. 57.
 
[2] Spohrs Tochter Therese war am 3. Juni an einem Infekt gestorben (vgl. Spohr an Speyer, 05.06.1838).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Karl Traugott Goldbach (04.05.2015)