Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
Herrn Kapellmeister Dr. Louis Spohr
in
Cassel.
 
franco.1
 
 
Düsseldorf den 7ten Juni
1838.
 
Geehrter Herr Kapellmeister!
 
Mein Vorsatz Ihnen zu schreiben war von den Augenblick an gefaßt als ich den Aufruf zu dem großen Musikfest in Frankfurt, welches Sie durch Ihre Gegenwart beehren werden, in öffentlichen Blättern las2, und mir Ihre gütige Erlaubniß um Theinahme an denselben zu erbitten. Eine sehr schwere Krankheit meiner Frau, welche zum Glück wieder so weit hergestellt ist daß wir das langersehnte Musikfest in Cöln3 noch besuchen konnten, hatte mich sehr verstimmt und daran verhindert. Als ich gestern von denselben zurückkehrte, fand ich Ihr werthes Schreiben, welches mir die Aussicht eröffnet durch Ihre gütige Verwendung in der Hofkapelle angestellt zu werden. Bedauern muß ich indeß daß meine künftige Existenz durch den Verlust eines so talentvollen und schätzenswerthen jungen Mannes begründet werden soll. Daß ich aber auch mit Freuden eine Gelegenheit ergreife die mir für den Augenblick einen unbedeutenden Gehalt gewährt, sich doch hoffentlich in der Folge verbessere, wird jedermann billigen. Es bleibt nur noch der Umstand zu erwägen daß mein Contrackt bis den 1ten October dauert; ob bis zu dieser Zeit die Stelle unbesetzt bleiben kann, es treten ja ohnedieß die Ferien dort ein. Ich werde dennoch Ihrem gütigen Rath befolgen und erst eine bestimmte Antwort abwarten bevor ich hier eine Äußerung mache. Sehr erwünscht würde es mir sein diese noch vor Ende Juni zu erhalten.
Genehmigen Sie die Versicherung meiner innigsten Hochachtung
 
Ihr
ergebenster
Heinrich Weidemüller.
 
 
Werthgeschätzter Herr Kapellmeister!
 
Recht hoch wurden wir bei unserer Rückkunft von Köln überrascht, einen Brief von Ihnen vorzufinden, dessen Inhalt uns sehr betrübte und die aufrichtige Theilnahme an dem Verlust des jungen Bänder vermerkte. Daß Sie bei diesem Vorfall sich freundlichst meines Mannes erinnern, fordert mein Herz zur Dankbarkeit auf, und flößt mir den Muth ein, demselben in diesen wenigen Zeilen auszudrücken.
Sollte es Ihnen gelingen durch Ihre gütige Fürsprache die Stelle für Weidemüller zu erhalten, so werden wir mit Freuden unsern Aufenthalt gegen einen Ort vertauschen, wo Sie zu zuweilen durch Ihr schönes Spiel und Aufführung Ihrer Compositionen, einen so hohen Genuß verschafften, welche Letzteres uns hier gänzlich versagt war; denn außer dem 12ten Conzert, von W. gespielt, und seitdem nicht wieder zum Solospielen kam, hörten wir nur eine Arie vom Tristan aus der Jessonda. –
Ich hoffe daß meine Gesundheit mir erlaubt die Reise nach Frankfurt zu machen, wo ich das Vergnügen haben werde Ihnen persönlich meinen innigsten Dank zu bezeigen.
Ihrer Frau Gemahlin mich empfehlend unterzeichnet hochachtungsvoll
 
Ihre
ergebene
Christiane Weidemüller

Autor(en): Weidemüller, Christiane
Weidemüller, Heinrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bänder, Heinrich Wilhelm Adolph
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Spohr, Louis : Konzerte, Vl Orch, op. 79
Erwähnte Orte: Düsseldorf
Köln
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Niederrheinische Musikfeste <verschiedene Orte>
Sängerfest <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838060740

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Heinrich Weidemüller. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Heinrich Weidemüller an Spohr, 23.01.1843.
 
[1] Rechts über dem Adressfeld befindet sich der Poststempel: „Düsseldorf / 8 / 6“.
 
[2] Vgl. „Grosses Sängerfest in Frankfurt a.M.“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 40 (1836), Sp. 231f.
 
[3] Vgl. „Musikfest in Köln“, in: ebd., Sp. 438f.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.02.2020).