Henriette Voigt an Louis Spohr in Kassel

Kapellmeister Louis Spohr
Wohlgebor.
in
Cassel

franco¹


Innig verehrter Herr Kapellmeister!

Morgen reise ich nach Berlin und obgleich es buntgenug um mich herum aussieht, so muß ich Ihnen doch noch einige Zeilen senden, die Sie nach den jetzigen Umständen gewiß nachsichtig ansehen werden. Meine Reise hatte sich durch viele unangenehme Sachen verzögert und so habe ich dann für meinen großen Freundeskreis in Berlin wenig Zeit, danach ist es fest bestimmt, daß wir spätestens den 16 Juny hier eintreffen, um Sie, hochverehrter Freund, mit den lieben Ihrigen empfangen zu können, wir freuen uns unendlich darauf und hoffen viele frohe Stunden davon. Sollte sich nun, durch irgend ein kleines Hinderniß etwa, Ihre Reise um einige Tage verzögern, was Sie vielleicht vorher schon wüssten, so hätte vielleicht Ihre liebe, gute Therese die Güte, mir dies in 2 Zeilen nach Berlin (a: Herrn W. Taubert, Johannisstraße No: 3) zu melden? denn dann würden wir diese paar Tage dort zugeben, sonst bleibt es beim Alten, bei unserer Bestimmung. Rochlitz grüßt Sie herzlich und freut sich natürlich außerordentlich auf Ihr Kommen, so wie Schumann, der sich Ihnen freundlichst empfehlen lässt. Manches hätte ich Ihnen zu melden, doch nur das hier, daß vorgestern in einem überfüllten Concert des Violinspielers Schubert aus Dresden die Schröder–Devrient Ihr himmlisches Lied „Was treibt den Waidmann“ mit rasenden Beifalle wiederholen müsste, es wurden viele Lieder gesungen, aber dieses war die Krone, ich war ganz erschüttert, sie sang es herrlich.² Leider muß ich schließen und kann nur noch die herzlichsten Grüße für Ihre liebe liebe Gattin u ganze übrige Familie hinzufügen. Vergeben Sie die Eile und entschuldigen mich durch die gegenwärtigen Lage der Dinge.

Immerdar in treuer Verehrung
Ihre
Henriette Voigt