Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr.
Hochundwohlgeborenen des Herren Capellmeister
und Doctor Spohr
in Cassel
in ChurHessen.
franco für den Ort
u Stelle.1
Hochwohlgeborner Herr
Insonders Hochgeehrtester Herr Doctor!
Es fällt mir sehr schwer Ew. Hochwohlgeboren, mit mein Ergebenes zu belästigen. – Ich weiß wie kostbar Ihre Zeit ist. Im Vertrauen jedoch auf Ihre Humanität u dem besondern Schutz, den sich mein Kind dorte bey Sie zu erfreuen hat, wage ich es Ihre kostbare Zeit ein wenig in Anspruch zu nehmen, mit nachstehende Nachrichten u ergebene Bitten. Vor allem, muß ich um entschuldigung bitten, weil ich bey Zeiten keinen fond für den Bedarf meines Sohnes eingeschickt habe. Mein innigster Wunsch war bisher dorte zu seyn. Bis heute haben es meine Geschäfte nicht zu gelassen. Heute empfange ich ein Schreiben von meinem Sohn, daß in einen Monath ohngefähr Ewhochwohlgeb. sowohl, als Herr Hauptmann, auf einer Zeit verreisen, u in die Bäder gehen werden. Wen dem so ist, so wäre es der innigster Wunsch, meiner lieben Frau, u der Meinige, daß unser Kind die kurze Zeit benutze, u herkomme. Vor allem aber wünschen wir Ihre gütige Erlaubniß dazu, u zugleich die Festsetzung: wie lange mein Kind bey uns verweilen kann, um in seine Studium bey Ewhochwohlgeboren nichts durch unsere Schuld zu vernachläßigen. Dieses also vorausgesetzt, will ich mir dadurch zugleich die Mühe ersparen, so eine weite Reise unnöthig zu machen. – Heute ist von hier abgereist einer meiner besten Freunde der Buchhändler Herr Mertzbach, nach Leipzig u andere Handelstädten Deutschlands. Wen er auch in Cassel nichts zu thun hat, so hat er mir aus Freundschaft versprochen, so es nur eine Möglichkeit seyn wird Cassel zu berühren, bedinglich um mein Kind zu sehen, u mir über sein Thun u Laßen dorte genaue Auskunft geben zu können, die ihm Ewhochwohlgeb. zu ertheilen gewiß die Güte haben werden. Ihm habe ich 36 Louids’or mit gegeben. Kömt er aber selbst nicht dahin, so wird er solche an Ewhochwohlgeb. per Post ohnfehlbar übermachen. Herr Mertzbach ist ein äußerst braver Mann, u kömt er hin, so wird Er Ewhochwohlgeb. gewiß mit meinen Wünschen betreff meines Kindes auf das gewissenhafteste bekannt machen, u mir die Inhalte die Ihm Ewhochwohlgeb. zu ertheilen belieben werden, ohne Umschweife u nutzlose Schmeicheleien mitbringen. Den noch glauben wir Eltern daß wen Ewhochwohlgeb. nicht einsehen sollten, daß aus meinem Kinde etwas mehr wie ein vorzüglicher Geiger werden wird, daß es schade wäre daß er die Zeit lediglich mit der Violine allein2 zu bringen. Ihr Urtheil geehrtester Herrr Doctor bestimt also das künftige Sigsal unseres Kindes. – Betreff der sonstigen Einrichtung meines Sohnes wird Herr Mertzbach auch sehen ihm bestens zu rathen. Ich gestehe Ihnen geehrtester Herr Doctor, daß so sehr ich alle Achtung für Herrn Rüdinger hege, so ist er doch3 zu streng für einen Erzieher eines Kindes von 17 Jahren. Er hat ganz vergessen, daß Jugend mehr Nachsicht bedarf, u daß mann ein großes Kind, nicht mit stoischer kalter Härte begegnen muß. Ein gutes Wort, würde mein Kind an ihn gefesselt haben, anstatt, nicht zu seiner Zeit angebrachte harte Kälte, nur Feindschaft bey einem Zögling u Schüler hervorbringt. Seinen ersten Briefen nach, zu urtheilen so wurde ich auf einmal der unglücklichste Vater, wen ich aber die Vertheidigung meines Kindes gelesen, so habe ich die zustrenge Leitung dHR.4 ersehen, daher wußte ich mir nicht zu rathen, daher meine Unbeständigkeit im Verfahren. Indessen so sehr ich nicht gar zu viel die Trennung mit HR. bedaure, so ist es doch unser innigster Wunsch daß mein Kind einen feinen gebildeten Mann zur Seite hätte, der ihm mit Liebe und freundschaftlichem Rathe an sich ziehe, u dadurc h ihm gehorche. Mein Sohn hat sich dorte bey einer, wie er mir schreibt, sehr ordentliche Familie, eingebürgert, was mich weit billiger wie bisher kosten wird. Auch dieß ist gut. Aber ich würde lieber wünschen, wen es mich auch etwas mehr kosten sollte, daß er bey einen gebildeten Mann wohnen könnte. – Um genau zu wissen wie viel mein Sohn wieder für sich Geld genommen hat, bin ich so frey Ewhochwohlgeb. ganz ergebenst zu bitten, mir eine Specificirung dieserhalb zuschicken zu lassen. Verzeichen sie mir geehrtester Herr, daß ich Sie dieserhalb erst belästige, da ich mich jetzt an HR. nicht mehr wenden kann, so bin ich gezwungen Sie dieserhalb zu bitten.
Wen Ewhochwohlgeb. mich mit einer Antwort beehren sollten, würde ich sehr bitten, zugleich von den Fortschritten meines Kindes bey Ewhochwohlgeb. sowohl, als bey H Hauptmann ein paar Worte zu sagen. Auch ob5 sich Lehrer für Englisch u Fr. Spracheunterricht gemeldet haben?
Wir empfehlen Uns gehorsamst Ewhochwohlgeboren wie dero Gemahlin, u Demoiselle Tochter, und bitten nur(?) die Aufgabe zu stellen mit was ich von hier dienen könnte?
verzeichne mit aller Hochachtung u Ergebenheit
PLandowski
Warschau 1 Mai 1838.
Autor(en): | Landowski, Paul |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hauptmann, Moritz Landowski, Sigismund Martin Mertzbach, S. Rüdinger, Christian |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Kassel |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838050140 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Landowski an Spohr, 06.02.1838. Spohrs Antwortbrief vom 29.05.1838 ist derzeit verschollen.
[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben ein stark verwischter Poststempel; links unter dem Adressfeld befinden sich zwei weitere verwischte Stempel.
[2] „allein“ über der Zeile eingefügt.
[3] „doch“ über der Zeile eingefügt.
[4] Abk. f. „des Herrn Rüdinger“.
[5] Hier gestrichen: „es“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.01.2022).