Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Gandersheim den 8ten April 1838.

Hochgeehrtester Herr Capellmeister!

So viele Güte, die Sie mir von jeher angedeihen ließen und wenn ich durch das wieder erstattete Attest im Septemb. v.J. einen neuen Beweis erhielt, lassen mich den tiefempfundenen schuldigen Dank durch diese Zeile in Etwas ausrufen. Die Hoffnung, selbst nach Cassel eilen zu können, um Ihnen herzlich zu danken, und die sich leider noch nicht erfüllen ließ, hat mich abgehalten, diesen Dank und meine Wünsche für Ihr Wohl brieflich aus zu sprechen – Zu Ihrem Namenstage1 erhoffe ich mir, die Zahl der Wünsche derer zu vermehren, die Sie lieben und hochachten und Ihrer Güte und Ihren Werth wie ich empfunden haben. Möge Sie der Himmel hochverehrtester Herr Capellmeister so thätigwie bisher wirken, das Glück befördern und die Zahl Ihrer Werke vermehren lassen und Ihnen dazu beständige Gesundheit, Kraft und Heiterkeit schenken, wie sehr werden Sie denn das Glück Ihrer Angehörigen begründen und Ihre Verehrer erfreuen. Der Wunsch aber, Sie noch in diesem jahre zu sehen und mich an Ihrem Anblick zu erheben und zu stärken, ist, seit ich von dem Gesangfest in Frankfurt hörte, aufs neue in mir rege geworden und ich hoffe ihn erfüllen zu können, da mein Bruder2 nach Frankfurt reist um Unterricht bei Aloys Schmitt zu nehmen.
Wie gern schriebe ich Ihnen Erfreuliches von meinen Arbeiten, wenn sich nur etwas davon sagen ließe. Es fehlt mir ja an allen Hülfsmitteln hier weiter zu kommen, vor allem aber an Rath, Aufmunterung und Ruhe. Trotz dieser Mängel habe ich ein Paar Ouverturen und ein Salve Regina pp geschrieben. Die erstere hatten sich des Beifalls des hiesigen Publikums zu erfreuen, doch läßt sich darauf wenig bauen. ich mögte diese Sachen wol einmal vom Cassler Orchester hören und erlaube mir, Sie um Erfüllung dieses Wunsches zu bitten, wenn jene Sachen die gütige Durchsicht Herrn hauptmanns verlassen haben.
Daß ich nach Oldenburg eine vergebliche Reise gemacht hatte, hat Ihnen damals Herr Medizinalrath3, wie ich von ihm erfahren, erzählt. ich darf nur noch aufrichtig versichern, daß meine musikalische Leistungen nicht schuld, sondern Übereilung des Professor Pott Ursache waren. Jetzt bin ich wieder hier in Gandersheim, doch werde ich hier wol immer traurig sein müssen.
Herr Medizinalrath, der mir erlaubt hat, ihn recht fleißig zu besuchen, befindet sich jetzt fast ganz hergestellt und so wohl, daß er täglich wieder ausgeht und ich hoffe daher, mit zu nehmendem Frühling wird jede Spur der aus gestandenen Leiden verschwunden sein. Wie oft aber Ihrer gedacht und von Ihnen gesprochen wird, können Sie nicht glauben.
Am Schlusse des Briefes mögte ich für mich noch meinen höchsten Wuinsch aus sprechen und doch wage ich es nicht; ich bitte aber erhalten Sie mir Ihre Güte und Ihr Wohlwollen auch ferner und nehmen Sie die Versicherung der allergrößten Hochachtung und Dankbarkeit von Ihrem

ganz gehorsamen
F. Böhme.

Autor(en): Böhme, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Eysholdt, Wilhelm
Pott, August
Schmitt, Aloys
Spohr, Carl Heinrich
Erwähnte Kompositionen: Böhme, Ferdinand : Ouvertüren
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Gandersheim
Oldenburg
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Oldenburg>
Sängerfest <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838040840

Spohr



Vermutlich handelt es sich bei dem zu Beginn dieses Briefs erwähnten „Attest im Septemb. v.J.“ um Spohrs Zeugnis für den Fagottisten (sic!) Böhm vom 27.08.1837, das dann auch das letzte erhaltene Schriftstück dieser Korrespondenz wäre. Die unterschiedliche Datumsangabe August/September könnte zeigen, dass Böhme das Zeugnis erst einige Tage später und damit Anfang September erhielt.
Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Böhme an Spohr, 17.05.1840.

[1] Offensichtlich Spohrs Geburtstag am 05.04.

[2] Wohl sein Halbbruder Wilhelm Eysholdt, der vor 1840 Unterricht bei Aloys Schmitt nahm (vgl. Franz Kössler, Personenlexikon von Lehrern des 19. Jahrhunderts. Berufsbiographien aus Schul-Jahresberichten und Schulprogrammen 1825-1918 mit Veröffentlichungsverzeichnissen, Gießener Elektronische Bibliothek 2008, Bd. 5, S. [145]).

[3] Spohrs Vater Carl Heinrich Spohr praktizierte als Bezirksarzt in Gandersheim.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.09.2020).