Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr Hochundwohlgeboren
des Herrn Doctor Spohr
in
Cassel
in ChurHessen.
ganzfrey.
Hochwohlgeborner Herr
Insonders Hochgeehrter Herr Doctor!
Nach Durchlesung Ihres sehr geehrtes vom 22ten parfat, weiß ich nicht wie ich Ihnen danken soll, nur wie ich Sie nennen soll. Sie sind und wollen in meinem Sohn mehr seyn als Freund, mehr als Vater. Trotz den Besorgnißen die Sie hochgeehrter Herr von meinen Sohn durch seinen Unfleiß, wohl oft begegnen, zeigen Sie doch noch immer Ihre wohlthuende Hand, und wollen ihm doch noch nicht verstoßen, und noch weiter probiren, vielleicht tritt durch Ueberlegung bey ihm ein, und er wird sich bessern. Der Himmel lohne es Ihnen Edler Mann!
Indessen so sehr mein Vaterherz blutet bey durchlesung der höchst unerfreulichen Nachrichten über den Unfleiß und unerdankliches Betragen meines Sohnes, so will ich doch noch die Hoffnung nicht verlieren, daß er sich bessern wird, nachdem aber Sie Hochgeehrter Herr Doctor, ihn eregt und mit Nachdruk Ermahnungen geben werden, die ihm durchdringen sollen. Auffallend ist mir aber in jedem Fall das unordentliche Treiben der ganzen Cameradschaft, oder Spielcollegen meines Sohnes, wie schickt es sich, daß Jünglinge die dorte sind, aus der Quelle der Harmonie zu schöpfen, ganze Nächte sich in öffentliche Häuser herumtreiben, u mit Carten und Domino Spiel sich beschäftigen? Ich rechne es als ein großes Mißgeschick für meinen Sohn, die dortige Ankunft des zweiten hiesigen Collegen1. Mir scheint dieser ist der Leiter des ganzen Wesens. Hier durfte mein Sohn mit ihm nicht harmoniren. Ein wort von Sie Herr Doctor, glaube ich wird diese Cameradschaft in solchem Unwesen zersplittern. Darum glaube ich daß zur Besserung meines Sohnes höchst nöthig seyn wird ihm alle Geld u Mittel zur liederlichkeit zu benehmen. Diesem zufolge bitte ich sehr theuerster Herr Doctor, für ihn nicht mehr zahlen zu lassen als an alle Herren Lehrer gegen Quittung. 2° für Mittagessen 8 Rth. gegen Quittung des Klein2.
3. für Frühstück und Abensbrot3 nicht mehr wie sechs ggrl. 4 für Logis Kosten Bewirthung, Stiefelreinigung, Reparatur an Schneider und Schuster, Wäscherin für Saiten auf allem diesem muß er Quittung legen. – Taschengeld zahlren Sie ihm gefälligst nur dann, wen er folgendes erfüllt haben wird. Nahmenlich er hat von mir über 45 Rth Abschiedsgeld by meiner Abreise von Cassel, und vor neu Jahr Rth 57. von Berlin aus für meine Rechnung erhalten, hätte ich gewußt daß er mit seinen Collegen, Karten spielen und Abende geben wird, so würde ich ihm gewiß nicht so viel Geld geschickt haben. Wie konnte ich aber hiervon nur träumen? Nun aber nachdem er alle seine Bedürfniße die er specificit u recht specificirt von Sie gewonnen hat, u oben drein noch Ein Rth wöchentlich Taschengeld, sollte nun doch glauben er hat die 100 Rth in baaren Dingen. Dem ist aber wahrscheinlich nicht so. Doch befehle ich ihm heute an, daß er bey Ihnen alles baare Geld, das er noch besitzt lagern soll. Thut er dies dann geben Sie ihm gefälligst das Taschengeld, wenn nicht so zahlen Sie ihm keinen Groschen mehr. – Uebrigens schreibe ich ihm heute daß ich während 2 Monathen mit Gottes Hilfe dorte seyn werde, als denn finde ich ihm gebeßert an Betragen und Fleuß, und werden Sie Hochgeehrter Herr Doctor mit ihm zufrieden seyn, denn bleibt’s beym Alten, behüte Gott im Gegentheil, werde ich ihm einer andern Bestimmung zuwenden. Anderst weiß ich kein Rath. Eine Bemergung erlauben Sie mir noch geehrtester Herr zu machen; So sehr ich Herrn Rüdinger schätze und schon deßhalb daß Er mir die reinste Wahrheit schreibt, sehr achten muß; so scheint mir doch, daß ein noch langes Beisammenseyn mit meinem Sohn, nicht statt finden können wird. Wen ich mir berechne,
was mich H. R. kotestet
Rth. 16 gr. 16 monathlich
Logis frühstük ect circa 18. „ 8
Mittagbrod 8.
Zusammen Rth 43.
so fällt mir die Frage auf, ob ich den meinen Sohn nicht zu irgend einem Professor oder sonstig gebildeten Pedagogen ganz in Kost, Wohnung für diesen Gelde Monathlich geben könnte, wo er mehr Familienleben und häusliche Unterhaltung die doch jedem jungen Manne höchst nöthig sind finden könnte, als in seiner stillen Wohnung, und auswärtige Zerstreuung suchen mu? Finden Sie diese Wendung für vortheilhafter wie der jetzige Zustand, so würde ich mir ergebenst die Freiheit nehmen Ewhochwohlgeb. um den Ausspruch in dieser Sache zu bitten. Ich hoffe und bin es fest von der nur bekannten Rechtschaffenheit des Herrn Rüdinger überhaupt4 daß er selbst hilfreiche Hand zu dieser Wendung leisten wird.
Ich weiß wie kostbar die Zeit bey Ihnen Herr Doctor ist, nur muß Sie tausend mal um Verzeihung wagen meiner Belästigung sehr bitten. Ein Fäßchen Caviar war ich so frey vorige Woche zuzuschigen. Ach! wen ich nur wüßte mit was ich Ihnen freude machen kann! Nichts würde mir gewiß zu theuer seyn.
Da ich im Verlauf 2 Monathe dorte seyn muß, und um meinem Sohn zu zeigen daß ich es ernst meine, so werde ich veranstalten daß Ihnen mit nächster Post nur5 Rth 200 aus Berlin in baaren zugeschickt werde, zur Bestreigung der Auslagen bis zu meinem dortseyn.
Hochgeehrter Herr Doctor! Versagen Sie mir weiter Ihre Hilfreiche Hand nicht, zur bildung meines Sohnes, an Geist und Körper! ich bin fest überzeugt daß Ein ernstes Wort von Sie bey ihm mehr helfen wird, wie von hundert Andern, die er minder achtet. Endigen Sie das edle Werk daß Sie begonnen haben, der Himmel wird Sie gewiß an Ihre Nachkommen noch, daüfr seegnen, nur stets wird Ihr geheilgte Nahme theuer bleiben
Ew. Hochundwohlgeboren
ganz ergebenster
PLandowski
Unsere ergebenste Empfehlung an dero Frau Gemahlin Hochwohlgeb. und Fräulein Tochter
Warschau 6 Febr. 1838.
Autor(en): | Landowski, Paul |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Eisenbaum, Michał Klein, Johann Christoph Landowski, Sigismund Martin Rüdinger, Christian |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Kassel |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1838020640 |
Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Landowski, 22.01.1838. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Landowski an Spohr, 01.05.1838.
[1] Wohl „Eisenbaum aus Warschau, 1837-1838“ („Verzeichniss der Schüler von Louis Spohr”, in: Niederrheinische Musik-Zeitung 7 (1859), S. 150ff., hier S. 151).
[2] Vermutlich Johann Christoph Klein, „Gasthalter zum Hòtel de Russie“ (Casselsches Adress-Buch (1838), S. 110).
[3] Sic!
[4] „überhaupt“ über der Zeile eingefügt.
[5] „nur“ über der Zeile eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.01.2022).