Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Kleinwächter,L.:15

Prag den 28t December
1837.

Innig verehrter Herr!

Gestern erhielt ich ein Schreiben von Breitkopf und Härtel, worin sie meine Anträge erwiedern. Insbesondere1 durch Ihre und Webers Empfehlungen2 bewogen, wollen sie meine Arbeiten in Stich nehmen, und sind sogar gesonnen, gleich mehre meiner Sachen auf einmal erscheinen zu laszen. Wem ich diese große Freude danke, erkennt mein Gemüth gewisz heiß und innig an! Sie, geliebter Herr kennen mich durch und durch, und ich brauche in dieser Beziehung wohl kein Wort weiter hinzu zu fügen! Nun noch das heilige wiederholte Versprechen, dasz es mein einziges Streben sein soll, Ihres Fürwortes nie ganz unwürdig zu werden; die hohe Idee die ich seit meinen frühesten Jahren in Kunstbeziehungen anerkenne und ehre wird mich gewisz schützen und wahren vor der Profanirung und Entweihung der tiefsten aller Künste! Nun – vergeben Sie! – noch eine kleine Bitte! Rücksichtlich der Ouverture machten B. & H. die Bedingung, dasz dieselbe in einem Concerte in Leipzig gegeben werde. Ich würde mich darum selbst brieflich an Mendelssohn wenden, deßen Bereitwilligkeit mir schon B. & H. empfahlen, jedoch wäre es mir sehr lieb, wenn jener vorher schon diurch einige Zeilen3 von Ihrer gütigen Hand prävenirt4 wäre. Wollten Sie wohl Ihrer unbegränzten Gefälligkeit für mich die Krone geben, und jene Worte an Mendelssohn richten; dann würde mein Brief5 sammt Partitur und Stimmen unverzüglich nach Leipzig wandern!
Seien Sie deshalb so gütig mir – jedoch bitte ich baldmöglichstmit mir zwei Worten brieflich wißen zu machen, was Sie hierüber zu thun gedenken, und wie bald ich an Mendelssohn schreiben soll. Ich weiß zudem auch gar nicht, wann diese Concerte anfangen und wie lange dieselben fortgegeben werden? Auf keinen Fall will ich mit meinen Sendungen nach Leipzig zögern, sondern die Herren, solange sie gelaunt, freilich beim Worte nehmen. Die Sachen, die ich nebst der Ouverture zum Stich gegenwärig zu geben gedenken, sind6 jene Motette gmoll die ich Ihnen zuerst nach Cassel sandte, das Rondo für Piano und Violine und ein Heft Lieder. Mögen dann die Herrn damit herausbrinken(?) in welcher Reihe sie wollen, ich habe die Wahl aus meinen fertigen Sachen nach dem bekannten: miscuit utile dulci7 eingerichtet. Nun muß ich schließen, meine Zeit drängt; ich wollte nur mit meinem Danke nicht lau zurück bleiben, und zugleich meine erwähnte Petition stellen. Die Uebrigen sind alle wohl, und grüßen Sie sammt den lieben Ihrigen hergleich!
Nun noch die so möglichsten Wünsche bei dem eintretenden Jahres eröffnet! Möge Sie der Himmel noch lange, lange als treuen Schutz und Schirm der echten teutschen Kunst walten laszen! und Ihr festes heiliges Streben durch die schönsten Freuden krönen!
Indem ich bitte, auch den lieben Ihrigen die herzlichsten Wünsche von uns allen zu sagen, bleibe ich

ewig treu Ihr
Louis Kleinwächter



Der letzte Brief dieser Korrespondenz ist Kleinwächter an Spohr, 03.12.1837. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Hier ein Wort gestrichen.

[2] Vgl. Kleinwächter an Spohr, 11.08. und 03.12.1837.

[3] Vgl. Spohr an Felix Mendelssohn Bartholdy, 06.01.1838.

[4] „präveniren“ = „zuvorkommen, vorgreifen, Jemanden von Etwas (vorläufig) benachrichtigen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 371).

[5] Kleinwächter an Mendelssohn, 14.01.1838 (in: Bodleian Library Oxford (GB-Ob), Sign. M.D.M.d. 33/91).

[6] „sind“ über gestrichenem „ist“ gestrichen.

[7] „miscuit utile dulci“ = lat. „das Angenehme mit dem nützlichen verbinden“ (vgl. Quintus Horatius Flaccus, De arte poetica. Liber, vulgo epistola ad pisones, hrsg. v. E.Th. Hohler, Wien 1824, S. 58).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.04.2019).