Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,168
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 171f. (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Frankfurt a/m


Cassel den 6ten Dec.
1837.

Geliebter Freund,

Wie ich Ihren letzten Brief erhielt, war ich gerade sehr mit Arbeiten überhäuft; ich bat daher Hauptmann vorläufig bey Ihnen Erkundigung einzuziehen, wann, wo, und mit welcher Begleitung Ihr dortiges Männergesangsfest stattfinden würde. Sie haben diese Anfrage als eine Zusage von uns beyden genommen, doch war sie so nicht gemeint, indem wir beyde noch nicht wissen ob es uns gelingt etwas brauchbares zu Stande zu bringen, da wir uns noch nicht in dieser Kompositionsgattung versucht haben. Sie hat, wie Sie selbst wissen, durch die enge Stimmlage und bei der Monotonie der gleichartigen Stimmen ganz besondere Schwierigkeiten. Ich halte es daher auch für nöthig, um letztere zu verwinden, daß die Orgel obligat, als Ersatz für das fehlende Orchester, behandelt werde. Jedenfalls werden wir aber, vorausgesetzt, daß es uns überhaupt gelingt, ein jeder etwas abgesondertes für sich schreiben, da ein Werk von dreien verfaßt, weder gleichen Styl noch innern Zusammenhang bekommen würde. Irgend einen gesunden Kirchentext wird jeder schon aufzufinden wissen.1
Nach Absendung meiner neuen Sinfonie nach Wien, habe ich Lieder mit Begleitung der Clarinette und des Pianoforte für die Fürstin von Sondershausen, die mich durch Hermstedt dringend um solche bitten ließ, geschrieben. Die Gattung hat ihre großen Schwierigkeiten, weil so vielerley zu berücksichtigen ist. Hat man aber eine Stimme, die mit der Clarinette im Wohlklang rivalisiren kann (die Fürstin soll eine solche besitzen), so ist das Zusammenwirken beider von hinreißend[er W]irkung.
Die letzten 8 Tage habe ich an meinem alten Magenübel leidend, größtentheils im Bett zugebracht. Ich werde mich, wiewohl höchst ungern entschließen müssen nächsten Sommer Calsbad zu gebrauchen und so meine schöne Ferienzeit, die ich wieder zu einer weiteren Reise bestimmt hatte, auf die langweiligste Weise verleben müssen.
Den lieben Ihrigen, Ries, Küper u.s.f. die herzlichsten Grüße. Erfreuen Sie bald wieder mit Nachrichten

Ihr
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 04.12.1837. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 09.01.1838.

[1] Spohr komponierte sein Vater Unser WoO 70.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (09.03.2016).

Cassel, 6. Dez. 1837.

Wie ich Ihren letzten Brief erhielt, war ich gerade sehr mit Arbeiten überhäuft; ich bat daher Hauptmann vorläufig bei Ihnen Erkundigung einzuziehen, wann, wo, und mit welcher Begleitung Ihr dortiges Männergesangsfest stattfinden würde. Sie haben diese Anfrage als eine Zusage von uns beiden genommen, doch war sie so nicht gemeint, indem wir beide noch nicht wissen ob es uns gelingt etwas Brauchbares zustande zu bringen, da wir uns noch nicht in dieser Kompositionsgattung versucht haben. Sie hat, wie Sie selbst wissen, durch die enge Stimmlage und bei der Monotonie der gleichartigen Stimmen ganz besondere Schwierigkeiten ... Jedenfalls werden wir aber, vorausgesetzt, daß es uns überhaupt gelingt, ein jeder etwas für sich schreiben ... Nach Absendung meiner neuen Sinfonie nach Wien, habe ich Lieder mit Begleitung der Klarinette und des Pianoforte für die Fürstin von Sondershausen geschrieben. Die Gattung hat ihre großen Schwierigkeiten, weil so vielerlei zu berücksichtigen ist. Hat man aber eine Stimme, die mit der Klarinette im Wohlklang rivalisieren kann, so ist das Zusammenwirken beider von hinreißender Wirkung ...