Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sp. ep. 1.7 <Kassel 18371123>
Inhaltsangabe: Autographen aus allen Gebieten. Auktion am 23. und 24. Mai 1967 (= Katalog Stargardt 580), Marburg 1967, S. 174 (teilweise)

Kurfürstliche Hoftheaterdirection,
 
Der Vorfall, über den Kraft Höchsten Befehls Kurfürstl. Hoftheaterdirection Auskunft verlangt, war folgender:
Am 8ten d.M. in einer Probe von Lestoq, am Abend vor der Aufführung der Oper Fra Diavolo (die dieses Mal ohne Probe gegeben werden sollte, weil sie 8 Tage vorher vollständig probirt worden, dann aber nicht zur Aufführung gekommen war,) berichtete mir der Orchesterdiener Krauskopf, daß der Hautboist Schmidt1 auf 3 Tage beurlaubt sey. Da dieser als Trommelschläger in Fra Diavolo wegen der bedeutenden Soli der Trommel nicht zu entbehren ist, - (der, von Bochmann genannte Weißenstein, ohnehin nicht sehr taktfest, hat in dieser Oper die Trommel nie geschlagen, sondern den Triangel, konnte daher auch nicht Stellvertreter für jenen seyn,) - so wandte ich mich an den Musikmeister Bochmann mit der Frage: warum ich nicht wie bisher vor der Beurlaubung über die Abkömmlichkeit befragt worden sey? Er antwortete: daß dies nur bey den im Orchester angestellten Mitgliedern der Gardemusik geschehe, nicht aber bey denen, die für jede einzelne Dienstleistung bezahlt würden. Auf meine Bemerkung: daß es hier nicht auf die Art ihrer Bezahlung, sondern auf die Abkömmlichkeit ankomme und ich daher auch hier hätte befragt werden müssen, erwiderte er mit Achselzucken: „Schmidt ist nun einmal beurlaubt und Sie werden es nicht ändern.“ Darauf ich: „So werde ich Sr. Hoheit anzeigen müssen, daß die angekündigte Oper nicht gegeben werden kann“, worauf er mit höhnischem Lachen ausrief: „wegen eines Trommlers!“
Ich verwies ihm diese Ungezogenheit und da nun aus seinen weiteren Äußerungen klar wurde, daß er gar nicht an Fra Diavolo und die Unentbehrlichkeit Schmidt’s in dieser Oper gedacht hatte, auch seine Dummheit und ich glaube, ich war dabey als Chef des Orchesters, im Dienste und eine Dienstsache besprechend, ganz in meinem Rechte. Ich ließ nun sogleich dem Herrn Regiments-Commandeur2 die Unentbehrlichkeit Schmidt’s bey der morgenden Oper anzeigen und dieser zufällig noch nicht abgereiset war, so wurde ihm von Seiten des Regiments anbefohlen da zu bleiben und der Oper beyzuwohnen. Sein Urlaub, den er nun einen Tag später antrat, hatte übrigens nur zum Zweck Tanzmusik auf dem Lande zu machen, worunter der Dienst im Kurfürstl. Hoftheater doch wohl nicht leiden soll?!
Dies ist, was ich auf das mir mitgetheilte Protocoll3, welches den Vorfall zum Theil sehr falsch berichtet, zu erwiedern habe.
Kurfürstl. Hoftheaterdirection
 
gehorsamster
Louis Spohr
 
Cassel den 23sten
November 1837.4



[1] Im Casselschen Adress-Buch (1837), S. 182 sind sowohl Heinrich Friedrich als auch Johannes Schmidt als Hautboisten des Regiments Leibgarde vermerkt.
 
[2] Carl Ferdinand von Altenbockum.
 
[3] Noch nicht ermittelt.
 
[4] Am oberen Rand der ersten Seite von anderer Hand: „No 401. Pr. d. K.H.T.D.“ (= Abk.: "Protokoll der Königlich Herzoglichen Theater-Direction").
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.09.2019).