Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochwohlgeborner Herr
Insonders Hochgeehrter Herr Doctor!

Ihr berühmter Nahme hat meinen Sohn nach dort geführt, Ihr edles Gemüth hat ihn gut aufgenommen; und mir für ihn allen Schutz versprochen. Cassel ist nicht der Ort (waren Ihre gütigen Worte) in welchem ein jungen Mensch verführt werden könnte, u will es einer wagen, so wird er übersehen und abgehalten. Damals hate ich es mir nicht träumen laßen, daß ich Veranlaßung finden werde, mir obige liebreiche Worte zurükzurufen. Leider aber tritt der Fall ein; Herr Rüdinger nehmlich, der von Ihnen anempfohlen mein völliges Vertrauen besitzt, schreibt mir unangenehme Berichte über meinen Sohn: kündigt mir sein Verhältniß zu meinem Sohn auf. Mein Sohn treibt unschickliche Streiche, die anzuführen wohl unnöthig sind, weil Er sie Ihnen Werther Herr! wahrscheinlich schon erzählt hat. – Indessen, würde ich manchen Streich mehr kindisch, als bösartig nennen. Manchen seinem hitzigen Temperamente, seiner Bangigkeit nach der Heimath entgegenzuarbeiten, und seiner Gewesenheit in seinem älterlichen Hause ein lebhaftes und glückliches Leben zuführen zugeschrieben haben, Ich würde ihn gern betrauen die Sprachen studirend bey Herr Rüdinger zu treiben. Einige Stunden zu conversiren würden hinreichend seyn, ihn in den Fr. u Englischen Sprachen zu erhalten. Wenn er aus den Leih-Bibliotheken1 fr. u engl. Bücher nehme mögte, würde es ihm auch erlaubt werden können. Auch seine Kost würde ich ihm gern besser stellen laßen, wen es auch etwas mehr kosten sollte, weil er gute Kost vonhause gewohnt ist. Kurz alle Sünden die ihm der brave Herr Rüdinger auflegt wären zu moderiren und abzuändern; und es wäre alles wieder gut.
Nur Eins kann ich meinem Sohn nicht verzeihen, daß ist, daß Sie Hochverehrter Herr Doctor von ihm unzufrieden geworden sind. Zwey Jahr hat er mich unaufhörchlich gestrebt zu bewegen ihn Ihrem Welt-Unterricht2 gemäß an zu liefern(???)3 und das Glück gehabt angenommen zu werden. u auf einmal erschlafft er, und vereunschlüßigt sich. – Dieß vorausgesagt, und in der Ueberzeugung, daß da wo es geht einem Andern beyzustehen Ew. Hochwohlgeboren gewiß gern die Hand reichen, besonders da wo es gehet ein junges Kind vom Unglück zu retten, und betrübte Eltern zu beruhigen, die im Vertrauen, auf Ihre Weltberühmtheit, keine Mühe und Kosten gescheut, und keine Rücksicht auf Entfernung genommen, sondern ihr Kind mit Leib u Seele in der festen Ueberzeugung hingegeben haben, daß wen auch ihres Sohnes Vorhaben nicht ausgeführt werden sollte, er wenigstens unter dem Auge eines solchen Mannes nicht fallen kann, wage ich Ewhochwohlgeboren, gehorsamst zu bitten, Erstlich diesen Brief sowohl Hrn Rüdinger als meinen Sohn lesen zu lassen.
2tens Wen mein Sohn wirklich die Lust zur Music verloren hat, daß er sich lieber bar erkläre, nur ich ihm eine andere Richtung in seinem künftigen Lebens Verhältniße gebe, ohne seine Jugend mit Muth zu vergeuden. Dort sitzen, und nicht zu lernen ist doch wahrlich gar zu närrisch von ihm wogegen wenn er erst bey seinem Vorhaben beharre, wir uns gewiß sehr glücklich schätzen werden, da muß er aber Sie heilig versuchen zu folgen, und das zu spielen was Sie hochgeehrter Herr ihm vorschreiben.
3. In jedem Fall Hrn Rüdinger (dem wir von ganzem Herzen ewig dankbar seyn werden, seines wahren Berichtes wegen) zu bewegen, daß Er seine besondere Aufsicht meinem Kinde in nichts entziehe, bis wir durch Correspondece; alles meinen Sohn betrefend fort setzen. Und endlich ersuche ich noch nur mit erster Post Ihre gütige Meinung schreiben, was ich ferner mit meinem Sohn thun soll. Ob wohl dort zu laßen, oder einem anderen Fache zu widmen.
Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wen mich Ew. Hochwohlgeboren berathen möchten, mein dort dort und bey der Music zu lassen wen aber Ewhochwohlgeboren, keinen guten Fortgang voraussehen, besser bey Zeiten mir Ruhe u Kosten Auffwand zu ersparen.
Mit Sehnsucht erwartet die Antwort
Ew. Hochwohlgeboren

Hochachtender ergebenster
PLandowski

Warschau
3 November 1837

Autor(en): Landowski, Paul
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Landowski, Sigismund Martin
Rüdinger, Christian
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1837110340

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Landowski an Spohr, 08.07.1837. Spohrs Antwortbrief vom 16.11.1837 ist derzeit verschollen.

[1] „Leih“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier gestrichen: „zu“.

[3] „zu liefern(???)“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.01.2022).