Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wiesbaden den 14ten October 1837

Mein innigst verehrtester Freund und Gönner!

Ihrer sehr freundlichen Erlaubniß gemäß verfehle ich nicht Ihnen gehorsamst anzuzeigen, daß ich am Dienstage, den 24sten d.M. so zeitig in Cassel einzutreffen gedenke, daß ich, eben aus dem Wagen springend, solchen Abends das Theater noch besuchen würde, falls solches etwas einladendes darbiethet. – Ich wähle hierfür einen Dienstag, in der Hoffnung daß der Morgen des Theater-freyen Mittwoch’s vielleicht am ersten es zulassen dürfte, daß Sie Ihre große neue für den Wiener Verein geschriebene Symphonie mich hören laßen, was schwieriger an dem Morgen eines Theater-Tages seyn dürfte, wenn etwa gerade alsdann eine Probe zu einer Oper des Abendes seyn müßte.
Welchen großen, außerordentlichen Genuß Sie, mein innigst verehrtester Gönner, mir bereiten würden, wenn die mir geschenkte Hoffnung, solches Ihr neuestes Meisterwerk mich hören zu lassen, sich nun realisiren lassen wollte empfinde ich mit großer Sehnsucht im voraus!! – u suche meine Frau mit eben dieser Post zu der kleinen Excursion zu ermuthigen, für Theilung dieses zu erhoffenden ungewöhnlichen Genußes mir den 24/7 Mittags nach Cassel entgegen zu kommen; dessen Realisirung denn freylich von mancherley häuslichen Zufälligkeiten abhängt. –
Die Hugenotten habe ich denn auch zwey Mahl in Frankfurt gehört; woselbst das Orchester sich wieder etwas gehoben hat, das Gesang-Personale aber noch mehr gesunken, und, – für ein übrigens so großartiges Theater, – wahrhaft schauderhaft ist!1 – Da ich nicht weiß, in wie weit Sie etwa die Oper schon kennen: so behalte ich eine mündliche weitere Äußerung darüber mir vor. – Es sind allerdings einzelne großé Schönheiten darinn; und immer lieber, als jede Rossinische, oder Bellinische, oder Halevysche, oder auch Aubertsche Oper pp, würde ich sie ferner zum 3t u 4t Mahle hören, wenn gleich das, was darinn sehr anziehend ist und befriedigend, öfter gleichsam verbraucht(???) werden muß, durch mit durchzumachende(???) zugleich ganz berede Langweiligkeiten; vorzugsweise in der Parthie des Raoul de Nangis; welche so genannte Haupt-Parthie übrigens durch den ganz jammervollen Hr. Dombrovsky auch wohl arg verunstaltet werden mag! –
Hier habe ich vor einigen Abenden die Kreuz-Ritter von Meyerbeer gehört, – ein ohne Vergleich leichter zu druchdringendes und aufzufassendes Werk mit vielen Schönheiten, welches ungeachtet der Kleinlichkeit einer solchen Vorstellung auf hiesigem Theater mich ungemein interessirt hat. – Besonders die Männer-Parthien waren übrigens ebenfalls erbärmlich besetzt. Dagegen war Dslle Münch als Elmiren, von so überaus schöner Stimme, glockenreiner Intonation, und bedeutendem Umfange, daß ich sie Ihnen für zufällige Fügungen dreist empfehlen zu können glaube, wenn sie ein großeres Locale und Orchester ebenso zu füllen vermag, wie diese hiesige [???]-Verhältniße. –
Mich unendlich darauf freuend, Ihnen und Ihrer talentreichen Frau Gemahlin nach 10 Tagen meine innige Verehrung erneuert ausdrücken zu dürfen empfehle ich mich Ihnen bis dahin so herzlich als

gehorsamst
CFLueder.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 06.05.1837. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 22.12.1837.

[1] Zur Frankfurter Inszenierung vgl. W., „Meyerbeer’s Hugenotten auf der Frankfurter Bühne“, in: Didaskalia 05.09.1837, nicht paginiert; W., „Die Hugenotten von Scribe und Meyerbeer“, in: ebd., 06.09.1837, nicht paginiert, 07.09.1837, nicht paginiert, 08.09.1837, nicht paginiert, 09.09.1837, nicht paginiert und 10.09.1837, nicht paginiert.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.11.2020).