Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein innigst verehrtester Freund und Gönner!

Recht sehr bedarf ich Ihrer freundlichen Nachsicht, daß der auch schriftliche Ausdruck meiner herzlichsten Dankverehrung Ihrer mir abermals in den unvergeslich interessanten Oster-Tage so vielseitig erwiesenen Freundlichekiten so spät erfolgt,! und ich mich denn so erst jetzt des Auftrag’s meiner Frau entledige, Ihnen für den ihr nun so große Freude gewährenden Klavier-Auszug Ihres Geist- und Gemüth-vollen großen Werkes ihren herzlichsten Dank auszudrücken! –
Ich reiste am frühen Morgen des 25sten März mit der Empfindung von Cassel ab, Ihnen gleich nach meiner Hierkunft vor allem auch sagen zu müssen, in welchem Maaße mich an dem anziehenden Vorabende noch der 2te Act von Zemire und Azor entzückte und wahrhaft electrisirte! –
Wenn gleich nun auch der unmittelbar darauf uns noch ein Mahl so erst als unerwartet erfassende Winter die so wohlthätig erquickende1 Erheiterung nicht erstarren machen konnte, welche Ihre so genialen unübertrefflichen Werke mich ein Mahl wieder aus dem begeisternden Reiche der Töne mit daran haben nehmen lassen: so machten die unerhörter Weise in die Mitte des April hinen reichenden Berge von Schnee und bis da draußen vor allem anderem wohl uns Landwirthen doch den Kopf so warm, daß in der Sorge für Sicherung der Wirthschaft und ihre mancherley Viehgattungen manches andere, und war es auch so anziehend als mir Ihnen und Ihrer Talentreichen liebenswürdigen Frau Gemahlin zu wirkende tief empfundene Danksagung, – darüber verschoben blieb! –
Und auch jetzt kann der Landwirth nicht ohne Erstaunen die ungewöhnliche Schwierigkeiten überdenken, in welche er durch dieses ungewöhnliche Frühjahr also verwickelt wird, daß deren weitere Lösung noch wie ein wahres Räthsel allein der nächsten Zukunft überlassen bleibt! –
Daher ist denn für mich auch nicht daran zu denken, daß ich Pfingsten die gewis auch recht genialen Verkündigungen des Paulus dort mit genießen könnte!2 – da man jede Stunde auf dem Acker den Launen des Wetters abkommen und recht benutzen muß, wenn die Lösung jenes landwirthschaftlichen Räthsels möglicher Weise überall noch soll gelingen können! –
Meine arme Frau wurde durch das beyspiellose Wetter auch noch bis zum 25sten v.M. in Stuben-Arrest gehalten; wo sie denn endlich die Wohlthat der freyen Luft nach vollen 13 Wochen zum ersten Mahle wieder genoß, und sich seitdem nun Gottlob täglich mehr wieder erholt.
Sie empfiehlt sich Ihnen wie mit mir Ihrer innigst verehrtesten Frau Gemahlin und Fräulein Tochter angelegentlichst, und bittet um die Erlaubniß, Ihnen Allerseitig für die beygehende so genannte Feld-Kieker den frischesten und besten Apetit wünschen zu dürfen! – welchem guten Wunsche auch ich mich in herzlicher Verehrung anschließen zu dürfen bitte. –
Unwandelbar auf das innigste

Ihr wärmster und dankbarster Verehrer.
CFLueder

Catlenburg am 6ten May 1837

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lueder, Wilhelmine Henriette Caroline
Spohr, Marianne
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Zemire und Azor
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1837050635

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 02.02.1837. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 14.10.1837.

[1] Hier ein Wort gestrichen.

[2] Spohr plante für Pfingsten ursprünglich ein Musikfest in Kassel. Nachdem dies durch Auflagen der kurhessischen Regierung verhindert war, führte er zumindest das geplante Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn Bartholdy auf (vgl. Spohr an Adolph Hesse, 18.05.1837; an Mendelssohn, 12.03.1837; an den Musikverlag Simrock, 25.03.1837).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.11.2020)