Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,167

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Frankfurt a/m


Cassel den 15ten
April 1837.

Geliebter Freund,

Entschuldigen Sie freundlichst, wenn ich Sie mit zwei Bitten belästige. Der Prinz hat von einer Dlle Hofmann gelesen, die auf der Frankfurter Bühne Mutterrollen giebt. Da wir einer Sängerin für dieses Fach bedürfen, so trägt er mir auf, Näheres über sie zu erfragen. Sie würden mich daher sehr verbinden, wenn Sie mir über ihre Stimme, Gesangsfähigkeit, Darstellung und ihre Verhältniße etwas Näheres mittheilen wollten. Ist sie etwa eine Tochter des russischen Hofmann und würde sie ohne ihre Eltern wohl von dort fortgehen?
Das zweite betrifft mich selbst. Wir werden am ersten Pfingsttag Paulus von Mendelssohn zum besten unserer Witwenkasse geben. Mendelssohn hatte die Güte mir die Leipziger Partitur und Orchesterstimmen für diese Aufführung zuzusagen und ich bat ihn, sie mir nach der dortigen Aufführung so bald als möglich zuzuschicken. Nun muß Mendelssohn längst in Frankfurt seyn, wo er um diese Zeit sich verheirathen wollte und ich habe die Stimmen immer nocht nicht erhalten. Hätten Sie wohl die Güte, ihn an sein Versprechen zu erinnern und ihn zu bitten, daß er das Nöthige zu möglichst schnellen Übersendung der Stimmen an mich in Leipzig brieflich verfüge?
Wir hatten am Charfreitage die 3te diesesmal sehr gelungene Aufführung meines Passionsoratoriums. Aber die letzten 14 Tage vor Ostern waren für mich wegen überhäufter Theaterarbeiten während der Messe auch sehr sauer und noch fühle ich keine beudeutende Erleichterung, da ich vor Pfingsten noch 2 neue Opern und den Paulus einüben muß. Um so [m]ehr freue ich mich auf die dieß[jähri]gen Ferien, die ich zu einer Rei[se nac]h Wien, wo ich seit dem Jahr 14 nicht war, verwenden werde.
Zu der nach Ihrem Brief nunmehr erfolgter Verheirathung Ihrer lieben Tochter1 unsere herzlichsten Glückwünsche.
Erfreuen Sie mich bald mit einer Nachricht über obige beyden Angelegenheiten.
Die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen. Stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr.

NS. Den Betrag für [die] beiden abgezahlten Clavierauszüge bitte ich mi[r ge]legentlichst zu übermachen.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Speyer an Spohr, 15.12.1836. Speyer beantwortete diesen Brief am 23.04.1837.

[1] Marie Schilling.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.03.2016).