Autograf: Beethoven-Haus Bonn (D-BNba), Sign. NE 241,41
Inhaltsangabe: Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 164 und 191
Beleg: Autographen von Musikern, Schriftstellern, Gelehrten, Naturforschern, bildenden Künstlern und historischen Persönlichkeiten: Versteigerung am 20. und 21. Mai 1930 (= Katalog Liepmannsohn 59), Berlin 1930, S. 44f.

Herrn Simrocks
Musikhandlung
Bonn

d. G.0
 
 
Cassel den 25sten März
1837.
 
Wohlgeborner,
Hochgeehrter Herr,
 
Ihr geehrtes Schreiben vom 10ten Febr. nebst den Stimmen von Paulus, dem Rechnungsabschluß und der Anweisung auf Hornthal von 21 Rth. 9 Sgr. habe ich richtig erhalten. Das Geld ist mir ausgezahlt worden und Ihnen gutgeschrieben.
Längst hätte ich Ihnen wieder geschrieben, wenn ich nicht geglaubt hätte, zugleich die Bestellung auf die Orchesterstimmen des Paulus machen zu können.1 Leider wird aber aus unserm Musickfeste nichts werden, weil unser überfromner Minister des Innern und des Cultus2 nicht gestatten will, daß während der Festtage das Orchestergerüst in der Kirche steht, weil er befürchtet, die Aufmerksamkeit der Gemeinde könne dadurch vom Gottesdienst abgezogen werden. Da ich wegen der höchst bedeutenden Kosten nicht wagen kann das Fest zu einer andern Zeit als Pfingsten zu veranstalten, so habe ich es ganz aufgeben müssen und ich werde, da ich schon viele Auslagen gemacht habe, einen ziemlich bedeutenden Schaden haben, den mir unsere Orchesterwittwenkasse, in die der etwaige Überschuß fließen sollte, nicht ersetzen kann.3
Für den gefälligen Debit meiner Clavierauszüge sage ich Ihnen den ergebensten Dank. Ich war mit dem Absatz des Werks sehr zufrieden und habe, nachdem die ersten 500 Exemplare abgesezt waren, schon längst einen 2ten Abdruck machen lassen. Leider sind aber unter meinen Subscribentensammlern dieses Mal viel schlechte Zahler, so daß ich nun bey meinen überhäuften Geschäften nun auch noch Mahnbriefe schreiben muß!
Das Honorar für die, in in meinem vorigen Briefe näher beschriebene Hymne beträgt 100 Rth. Sollten Sie geneigt seyn, selbe zu verlegen, so bitte ich um baldgefällige Nachricht. Auch kann ich Ihnen als das neueste, was ich geschrieben habe, 2 concertirende große Duetten für Pianoforte und Violine (jedes in 4 Sätzen) zum Verlag antragen, die aber einzeln gestochen werden sollen und wofür das Honorar für jedes einzelne 150 Rth. beträgt. Das eine dieser Duetten heißt „Nachklänge einer Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweitz“ weil in’s Scherzo das Sächsischen Postillonfanfare, in's Adagio Anklänge der Messe in der kath. Hofkirche und in’s Rondo böhmische Musik der Sächsischen Schweitz verwebt ist. Die Duetten, welche ich für meine Frau und mich geschrieben habe, sind höchst brillant für beyde Instrumente ohne überschwer zu seyn.
Gestern am Chartreitage hatten wir Abends bey beleuchteter Kirche eine sehr feierliche und sehr gelungene Aufführung meines letzten Oratoriums.4 Der Chor war über 200 Personen stark, das Orchester nahe an 100. – Den „Paulus“ hatten wir mit einem Chor von 300 hiesigen Sängern schon sehr fleißig eingeübt und das herrliche Werk sehr lieb gewonnen! Nun ist alle Welt entrüstet über den Eigensinn des Ministers. Es hilft aber alles nichts!
Leben Sie wohl. Mit vorzüglicher Hochachtung
 
Ihr ergebenster
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Simrock an Spohr, 10.02.1837. Ein Antwortbrief von Simrock vermutlich aus der Woche ab dem 24.04.1837 lässt sich derzeit nur erschließen.
 
[0] [Ergänzung 13.12.2022:] „Schließt man den Brief Jemanden zur Uebergabe bei, so schreibt man auf die Adresse: ,Durch Inlage‘ – ,durch Beischluß‘ – ,durch Einschluß‘ – ,durch Güte‘ oft auch abgekürzt nur die Anfangsbuchstaben: d. I. – d. B. – pr. E. – d. G. –“ (Neuester und vollständigster deutscher Universal-Muster-Briefsteller, sowie österreichischer Privat-Geschäfts-Secretär, welcher alle im bürgerlichen Leben vorkommenden schriftlichen Aufsätze zu verfassen lehrt, Bd. 1, o.O. [1842], S. 124).

[1] Obwohl Spohr hier die Bestellung der Orchesterstimmen bei Simrock storniert, weil die Aufführung nicht zustandekomme, versucht er diese Stimmen in einem Brief an Wilhelm Speyer, 15.04.1837 die Orchesterimmen direkt über den Komponisten Mendelssohn auszuleihen.
 
[2] Ludwig Hassenpflug.
 
[3] In seinen Lebenserinnerungen schreibt Spohr das Scheitern dem „geheimen Kabinett” des Kurfürsten zu (Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 175f., Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbst-Biographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 216ff.; vgl. auch „Musikfest in Cassel”, in: Neue Zeitschrift für Musik 6 (1837), S. 130). (Übernahme der Anmerkung aus dem Kommentar zu Brief von Spohr an Adolph Hesse, 18.05.1837.)
 
[4] Des Heilands letzte Stunden. Zur Aufführung vgl. L., „Kassel”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 39 (1837), Sp. 665-668, hier Sp. 665
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.12.2015).