Autograf: Bodleian Library Oxford (GB-Ob), Sign. GB 6: 25
Druck 1: John Michael Cooper und R. Larry Todd, „'With True Esteem and Friendship'. The Correspondence of Felix Mendelssohn Bartholdy and Louis Spohr“, in: Journal of Musicological Research 29 (2010), S. 171-259, hier S. 230f.; englische Übersetzung S. 189f.
Druck 2: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 5, hrsg. v. Uta Wald unter Mitarbeit v. Thomas Kauba, Kassel u.a. 2012, S. 599 (teilweise)

Cassel den 12ten
März 1837.

Hochgeehrter Herr u. Freund,

Herzlichen Dank für Ihre Correcturen und Andeutungen in und über den Clavierauszug der Ouverture1; ich habe sie sämtlich benuzt und meine Frau und Schwägerin2 spielen sie nun noch einmal so gern, da alle halsbrechenden Stellen daraus entfernt sind.
Unser Musikfest wird leider nicht zu Stande kommen, da unser frommer Minister des Innern3 nicht gestatten will, daß während der Feiertage das Orchester-Gerüst in der Kirche stehe, weil es die Aufmerksamkeit der Gemeinde vom Gottesdienst ablenken könne!4 Da ich zu einer andern Zeit als Pfingsten das Unternehmen wegen der großen Kosten nicht wagen kann, so habe ich es nun ganz aufgegeben.
Ihr Oratorium hat aber bey dem Einüben uns alle so begeistert, daß wir es doch mit allen einheimischen Kräften (Chor 300, Orchester etwa 100,) in einer andern Kirche, (derselben wo wir auch am Charfreitage mein Passions-Oratorium geben werden,) zur Aufführung zu bringen, beabsichtigen, da in diese Kirche wegen des großen Chors nur ein kleiner, leicht zu versteckender Aufbau nöthig ist. Es wird am 1sten Pfingstfeiertage Abends gegeben werden. Die Chöre gehen bereits recht gut und alle feineren Nuancen werde ich nach Ostern noch einüben. Meine ergebenste Bitte geht nun dahin, daß Sie Ihrem freundlichen Anerbieten gemäß uns die Partitur und Orchesterstimmen zu dieser Aufführung, (deren Ertrag in unsere Orchesterwittwenkasse fließt,) von der Concertdirection erbitten und baldmöglichst zusenden wollen. Den Tag nach Pfingsten werde ich sie, wohlverpackt und unversehrt zurückschicken.
Schlüßlich komme ich nochmals auf meinen und aller hiesigen Musickfreunde5 Wunsch zurück, Sie zu dieser Aufführung, wenn auch nur als Zuhörer, hier zu sehen! Wenn Sie sich, wie ich vermuthe, in Frankfurt verheirathen, so könnten Sie mit Ihrer jungen Frau gewiß keine inceressantere Ausflucht machen, als zu Pfingsten nach Cassel!
Herr Concertmeister David hat mir vor einigen Tagen seine Verheirathung angezeigt.6 Haben Sie doch die Güte, ihn auf das herzlichste zu grüßen und ihn unserer innigsten Theilnahme an seinem Glück zu versichern.
Mit wahrer Hochachtung und Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Mendelssohn an Spohr, 21.02.1837. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Mendelssohn an Spohr, 20. oder 21.11.1837.

[1] Fantasie über „Die Tochter der Luft“.

[2] Caroline Pfeiffer.

[3] Ludwig Hassenpflug.

[4] Vgl. Spohr an den Musikverlag Simrock, 25.03.1837; an August Kiel, 18.04.1837; an Adolph Hesse, 18.05.1837.

[5] Hier gestrichen: „zurück“.

[6] Vgl. Ferdinand David an Spohr, 06.03.1837.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.06.2020).