Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,255
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 159f. (teilweise)

Frankfurt am 15 December
1836.

Theurer Freund!

Zuvörderst sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für die interessanten Nachrichten, die Sie mir in bezug auf Ihre erneuerte musikalische Tätigkeit gegeben haben. Wollte Gott ich könnte das alles hören und recht nach Herzenslust in mich aufnehmen, allein ich bin ein geplagter Mann u. muß mich vieler Lieblingsgedanken entschlagen. So dann danken wir Ihnen für die Theilnahme die Sie uns wegen des freudigen Ereignisses in unserer Familie bezeugen. Bis den 15 Januar wird die Hochzeit1 stattfinden, und dann hat meiner arme Frau, die Einrichtung des Haußwesens des jungen Paares sehr geplagt ist, wieder Ruhe. – Ueber das junge Mädchen, das Therese Meißner heißt, habe ich Erkundigung eingezogen. Sie hat allerdings bei Schnyder Unterricht, und die Wahl überhaupt ist sehr unglücklich jemand nach Ffurt zu schicken, um hier Unterricht im Singen zu nehmen; denn es ist niemand hier, der dies vermag, da Schelble wahrscheinlich nicht mehr zurückkommen wird. Im Uebrigen ist das Mädchen ganz gut aufgehoben, denn sie ist bei ehrsamen Leuten u. befindet sich wohl. – Wir hatten einen großen musik. Genuß. Molique war 14 Tage hier, u. mit ihm haben wir Ihre sämtlichen Quartetten, Quintetten und Doppelquartette aufgeführt, und zwar mit guter Besetzung. Molique ließ hier im Museum seine erste Sinfonie zum erstenmal aufführen, ein sehr schönes Werk. Doch die Krone seiner neueren Kompositionen ist wohl das 3te Conzert, worauf ich Sie angelegentlichst aufmerksam mache. Es ist gewiß eines der schönsten Werke in dieser Gattung und bietet des Interessanten so viel, daß es sich für Sie der Mühe verlohnen wird, es aufführen zu lassen. Es ist bei Breitkopf & Härtel gestochen. – Wenn Sie einen Bassisten brauchen, so kann dazu Rath geschafft werden. Der Bruder2 des hier als Regisseur angestellten Linker3 befindet sich hier u. hat mehrmals gesungen. Er hat eine schöne Stimme und scheint brauchbar, auch sucht er ein Engagement. –
Von denen bei Ihnen bestellten 3 Klavierauszüge des Oratoriums haben 2 bezahlt u. ich bitte über das Geld zu verfügen. Der dritte, Schelble, hat zwar das Exemplar erhalten, ist aber unterdessen krank geworden u. von hier weggezogen. Meyerbeer hat mir einen sehr schönen Clavierauszug seiner Hugenotten zugesandt. Der vierte und fünfte Akt enthalten große Schönheiten. Bis auf weiteres wie immer

Ihr treuer
WmSpy.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Speyer, 02.12.1836. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 15.04.1837.

[1] Zwischen Speyers Tochter Marie und David Eduard Schilling.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Erasmus Lincker.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.03.2016).

Frankfurt, 15. Dezember 1836.

Zuvörderst sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für die interessanten Nachrichten, die Sie mir in bezug auf Ihre erneuerte musikalische Tätigkeit gegeben haben. Wollte Gott, ich könnte das alles hören und recht nach Herzenslust in mich aufnehmen, allein ich bin ein geplagter Mann und muß mich vieler Lieblingsgedanken entschlagen ... Wir hatten einen großen musikalischen Genuß: Molique war vierzehn Tage hier, und mit ihm haben wir Ihre sämtlichen Quartette, Quintette und Doppelquartette aufgeführt, und zwar mit guter Besetzung. Molique ließ hier im Museum seine erste Sinfonie aufführen, ein sehr schönes Werk. Doch die Krone seiner neueren Kompositionen ist wohl das dritte Violinkonzert, worauf ich Sie angelegentlichst aufmerksam mache. Es ist gewiß eines der schönsten Werke in dieser Gattung und bietet des Interessanten so viel, daß es sich für Sie der Mühe verlohnen wird, es aufführen zu lassen ...
Meyerbeer hat mir einen sehr schönen Klavierauszug seiner ,Hugenotten’ zugesandt. Der vierte und fünfte Akt enthalten große Schönheiten ...