Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. hist. litt. 15[195

a
Monsieur Edward Taylor
3 Regent Square
à
Londres.


Cassel den 6ten
1September 1836

Hochgeehrtester Herr,

Gestern ist die Partitur meines Oratoriums2, ganz so geschrieben, wie Sie es angegeben haben, nämlich ohne Worte und bey den Rezitativen ohne Noten fur die Singstimme, an den Musickhändler Herrn August Böhme in Hamburg, abgegangen, der sie sogleich an einen seiner Geschäftsfreunde in London, zur Abgabe an Sie, weiterbefördern wird. Den Betrag dafür mit 10 Livres sterling habe ich von meinem hiesigen Banquier entnommen, der durch die Herren Rothschild in London Ihnen einen Wechsel über diese Summe nebst den Spesen zu gefälliger Zahlung wird vorlegen lassen.
Wir hatten in diesem Sommer in Deutschland mehrere große Musickfeste. Das erste von Felix Mendelssohn dirigirt, war in Düsseldorf. Dieß konnte ich nicht besuchen, weil ich am selben Tage hier eine große Musickaufführung zu dirigiren hatte. Zu dem 2ten in Braunschweig, meiner Vaterstadt, war ich als Zuhörer eingeladen. Dort wurde der Messias von Händel mit 400 Sängern und 200 Instrumentalisten sehr würdevoll gegeben.3 Das 3te Musickfest fand bey einer kirchlichen Jubiläumsfeyer in Paderborn statt; es wurde mein neues Oratorium recht gut gegeben. Besonders waren die Chöre fleißig eingeübt und machten daher auch den meisten Efekt4 - Im nächsten Jahr werden wir hier in Cassel zu Pfingsten ein großes Musickfest feyern, welches 3 Tage dauern wird. Am 1sten Tage wird Paulus von Fel. Mendelssohn, am 2ten „die Weihe der Tön[e“ und] „die letzten Dinge“ von mir und am 3ten Tage Concertmusick ge[geben] werden.
Mit der Bitte, alle meine dortigen Freunde und Bekannte von mir zu grüßen,
mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebenster
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Taylor an Spohr, 05.08.1836. Taylor beantwortete diesen Brief am 25.04.1837.

[1] Hier gestrichen: „August“.

[2] Des Heilands letzte Stunden.

[3] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 01.08.1836; Spohr an Adolph Hesse, 20.08.1836; Programm zum neunten Elb-Musikfeste in Braunschweig, nebst einer Beschreibung der Stadt, zur Führung und Erinnerung für auswärtige Theilnehmer, Braunschweig 1836; ähnlich wie Spohr, in Bezug auf den Messias aber deutlich kritischer wertet: „Aus Braunschweig. Das Musikfest”, in: Neue Zeitschrift für Musik 5 (1836), S. 37f., 44f. und 49; zu Spohrs Aufenthalt beim Musikfest: „Notabilitäten auf Reisen”, in: Zeitung für die eleganten Welt 36 (1836), S. 576. Später berichtete Spohr über das Musikfest in: Spohr, Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 172f.; ders., Selbstbiographie, Bd. 2, S. 212

[4] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 01.08.1836; Spohr an Adolph Hesse, 20.08.1836; „Paderborn”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 38 (1836), Sp. 551f.; Spohr, Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 173f; ders. Selbstbiographie, Bd. 2, S. 213f. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.01.2020).